Pandemie, Ukraine-Krieg, Klimawandel. Wir leben in unruhigeren Zeiten als zu der Zeit, in der ich meinen letzten Artikel zum Thema “Beruflicher Erfolg = Zufriedenheit?” geschrieben habe. Seitdem hat sich einiges geändert, denn natürlich gehen all diese Unsicherheit auch an der Arbeitswelt nicht spurlos vorbei. Sie lösen Prozesse aus oder beschleunigen diese, andere bringen sie vielleicht komplett zum Erliegen. Was ist uns heute, mit all dem neuen “Hintergrundwissen”, das wir erlangt haben, an unserer Arbeit wichtig? Dieser Frage möchte ich auf den Grund gehen.
Ich schreibe diesen Artikel im ICE auf der Fahrt ins Büro. Früher bin ich mit dem Fahrrad gefahren und zwar jeden Tag – jetzt fahre ich ca. 1-2 Mal im Monat für einige Tage, treffe mich mit meinen Kolleg:innen, nutze die Zeit für Teambuilding und natürlich, um Köln, die Stadt meines Herzens, wiederzusehen. Wohnen tue ich dort nicht mehr, denn so sehr ich Köln auch liebe, meine Familie liebe ich noch mehr. Und die wohnt nun mal woanders.
Flexibel arbeiten – Mehr Zeit für die Familie
Damit sind wir auch schon direkt bei dem ersten Punkt, der die neue Arbeitswelt – quasi post-pandemisch – kennzeichnet. Durch Corona wurde in vielen Betrieben plötzlich etwas möglich, das vorher undenkbar erschien. Das Arbeiten von zuhause aus wurde zur Norm und plötzlich erkannten viele Arbeitnehmer:innen, wie viel mehr Zeit ihnen so für ihre Familie oder ihre Freund:innen bleibt. Nicht bei allen Berufen ist dies möglich, doch in unserem stark digitalisierten Zeitalter gibt es einen großen Sektor, dessen Arbeit von zuhause möglich ist. Immerhin knappe 45%, laut einer Studie der DAK vom Frühjahr 2021.
Zurück in alte, unflexible Strukturen wollen die meisten nicht, die mit den Vorteilen von flexiblem Arbeiten in Berührung gekommen sind. Verschiedenen Studien zufolge ist die Möglichkeit, hybrid auch aus dem Home-Office arbeiten zu können, zu einem der wichtigsten Entscheidungsfaktoren bei der Arbeitgeberwahl geworden. Bei Stellenbörsen ist “Homeoffice” von 2020 – 2022 zu einem Kernsuchfilter geworden – ich weiß das so genau, weil ich in genau diesem Zeitraum mit einer Freundin nach einer neuen Stelle für sie gesucht habe. Auch sie arbeitet jetzt wie ich zu guten 80% aus den eigenen vier Wänden.
Vor- und Nachteile der Arbeit von zuhause
Fairerweise müssen wir dazu aber sagen, dass das Arbeiten aus dem Homeoffice auch nicht nur Vorteile hat. Ja, man spart die Zeit des Arbeitsweges ein, kann sich seine Zeit freier einteilen und auch mal nachmittags mit den Kindern ein Eis essen und erst danach wieder weiterarbeiten, was sonst nicht möglich gewesen wäre. Genau das birgt aber auch Gefahren: Sowohl für Arbeitnehmer:in, als auch für das Unternehmen.
Die Arbeitnehmerperspektive:
Wenn Arbeit und Freizeit am gleichen Ort stattfinden, verschwimmen die Grenzen zwischen beiden noch stärker, als dies eh schon der Fall war. Zwar sind die Generationen Y und Z dafür bekannt, vehementer auf eine Trennung von beidem zu achten, das sind aber ja nicht die einzigen Arbeitnehmer:innen. Laut einer Studie der Heinz-Böckler-Stiftung zum Thema flexible Arbeitzeiten steigt die Gefahr für Burnout und andere Stresserkrankungen, wenn es keine geregelten Erholungszeiten mehr gibt. Wer keine festen Arbeitszeiten hat, muss selbst dafür sorgen, dass die Work-Life-Balance weiterhin ausgeglichen bleibt und nicht jeden Tag Überstunden gemacht werden. Dieses Modell ist also nicht für jeden etwas.
Die Arbeitgeberperspektive:
So mancher Arbeitgeber hat mit dem Kontrollverlust zu kämpfen, dem er sich ausgesetzt sieht, wenn plötzlich niemand mehr zu festen Uhrzeiten im Büro erscheint. Arbeiten meine Angestellten auch wirklich, oder schauen sie zuhause lieber Netflix? Eine gewisse Vertrauensbasis ist nötig, um flexible Strukturen zu ermöglichen – genauso wie die richtigen Tools und Instrumente. Zur Beruhigung sei kurz erwähnt, dass statistisch betrachtet sogar mehr gearbeitet wird, wenn flexible Möglichkeiten bestehen. Das Zusammenarbeiten in Teams, die sich nicht jeden Tag vor Ort sehen, muss gelernt werden und diese Grundlagen muss der Arbeitgeber schaffen. Dann steht einer produktiven Remote-Arbeit nichts im Wege.
Wieso macht flexibleres Arbeiten denn nun zufriedener?
Um es noch einmal kurz klarzustellen: Nicht für jede:n besteht die Möglichkeit oder das Verlangen nach einer flexiblen Arbeitsstelle. Der Wunsch danach wird jedoch immer größer und auch in Jobs, die nicht am Computer stattfinden, werden Arbeitsmodelle wie die Vier-Tage-Woche als Alternative zu alteingesessenen Strukturen immer beliebter. Aber warum? Wenn Menschen statistisch betrachtet sogar mehr arbeiten als zuvor, wenn sie sogar ein höheres Risiko auf Stresserkrankungen wie Burnout eingehen, wieso wollen sie dann trotzdem flexibler arbeiten?
Laut der Studie der DAK liegen die Hauptgründe beim Wegfall des Arbeitsweges, also schlicht einer Zeitersparnis, sowie der Vereinbarkeit von Job und Familie. Beleuchten wir beide Punkte einmal genauer:
Der Arbeitsweg
Wer jeden Tag an seiner Arbeitsstelle anwesend sein muss, ist in seiner Wohnortwahl logischerweise eingeschränkt. Er muss entweder lange Pendelwege in Kauf nehmen, oder eine Wohnung möglichst nah an der Arbeitsstätte finden. Bei den aktuell enormen Mietpreisen und dem Wohnungsmangel vor allem in Großstädten ist ein Wegfall dieser Ortsbindungspflicht daher ein großer Vorteil. Nicht nur fallen die Kosten für den Arbeitsweg weg (Benzin, evtl sogar der Fahrzeugunterhalt), die Zeit kann anders investiert werden und wer sich wünscht, lieber auf dem Land zu leben, kann dies endlich umsetzen (Breitbandausbau juche). Ich persönlich spare jeden Tag 90 Minuten Zeit.
Hinzu kommt auch noch eine ökologische Komponente, vor allem bei Arbeitnehmer:innen, die mit dem PKW anreisen müss(t)en. Im Lockdown hat man in vielen Ländern sehen können, wie schnell sich Luft und Gewässer verbessert haben, wenn mehr Menschen einfach mal zuhause bleiben und weniger Wege auf sich nehmen. Auch dies ist eine Ersparnis, die Homeoffice attraktiv macht.
Beruf und Familie vereinbaren
Ich hatte es vorhin schon kurz angerissen: Wer zuhause arbeitet und auch noch flexibel darin ist, zu welchen Uhrzeiten gearbeitet wird, kann wesentlich leichter Job und Familie unter einen Hut bringen. Die Kinder kurz zum Fußball fahren, beim Mittagessen zusammen sitzen, den alternden Eltern einen Kasten Wasser vorbei bringen, all dies ist leichter umsetzbar. Gerade in Zeiten, in denen das, was uns früher sicher erschien, plötzlich in der Schwebe liegt, sehnen sich viele Menschen nach Gemeinschaft, Freunden und Familie.
Und auch die Anforderungen sind größer geworden – gerade die Generation X hat zum Beispiel mit der Doppelbelastung schulpflichtiger Kinder und pflegebedürftiger Eltern zu kämpfen. Dies wird in den nächsten Jahren tendenziell noch zunehmen, da die Baby-Boomer in Rente gehen und durch die sinkenden Geburtenraten weniger junge Menschen nachkommen, die professionelle Pflege leisten. Die ganze Gesellschaft wird hier umdenken müssen und alle Bedürfnisse bedienen zu können, ist ohne flexible Arbeitszeiten kaum zu bewältigen.
Aber es hört ja nicht bei der Familie auf. Auch private Termine können viel flexibler geplant und gelegt werden, was die Gestaltung des Alltags zusätzlich erleichtert. Wichtig hierbei ist aber, nicht aus den Augen zu verlieren, dass jeder Mensch auch dringend Erholungsphasen benötigt. Expert:innen raten daher sogar davon ab, Hausarbeit zwischendurch zu erledigen und dafür einfach 30 Minuten hinten an den Arbeitstag dranzuhängen – so verschwimmt Arbeit und Privates nämlich zu sehr. Hier muss jede:r Arbeitnehmer:in sicher ein Konzept finden, das individuell passt.
Zufriedener durch individuelle Lebenswege
Damit sind wir auch bei unserem zweiten großen Stichwort angekommen. In unserer westlichen Gesellschaft geht der Trend schon seit vielen Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, zu immer individuelleren Lebenswegen. Mit einer Werbung wie “Meine Frau, mein Haus, mein Auto, meine 2 Kinder und mein Hund” reißt heute niemand mehr auch nur eine Fliege vom Hocker. Je mehr wir uns als Gesellschaft auf das Individuum und seine Wünsche und Vorstellungen fokussieren, desto klarer ist es, dass Konzepte wie “das war aber immer schon so” nicht mehr funktionieren. Mal ganz abgesehen davon, dass die aktuellen Krisen des 21. Jahrhunderts zeigen, auf welch wackeligen Füßen der verschwenderische Wohlstand vergangener Generationen eigentlich stand.
Glück schlägt Geld, vor allem bei Millennials
Den Traum vom Eigenheim können sich viele junge Menschen schon allein wegen Inflation und zu geringer Löhne nicht mehr leisten. Die Generation Y, zu der auch ich gehöre, ist die am besten ausgebildete und qualifizierte Generation, die bisher am Arbeitsmarkt zu finden war – finanziell spiegelt sich das aber nicht wider. “Am besten ausgebildet, am schlechtesten bezahlt”, titelte das Magazin Businessinsider im September 21. So war vor allem der Einstieg in die Berufswelt für Millennials schwierig – durch unbezahlte Praktika und geringere Einstiegsgehälter, als noch die Generation X erhalten hat.
Auch dies hat sicherlich zu einem Umdenken der Prioritäten geführt. Wenn ein großes Vermögen gar nicht greifbar ist, wieso dann überhaupt danach streben? Schließlich gibt es noch so viele andere Dinge im Leben, die glücklich machen. Mehr Zeit mit Freunden zum Beispiel, mehr Reisen oder auch einfach ein Job mit Sinn, der Spaß macht. Wird der nicht gut bezahlt – na und? Karriere machen ist nicht das Hauptziel dieser Generation, und umso attraktiver findet sie auch neue Arbeitsmodelle.
Einen entscheidenden Vorteil hat diese Generation dennoch – denn dadurch, dass sie mit weniger Geld auskommen können, ein hohes Langzeitwissen und gute Qualifikationen vorweisen und insgesamt flexibler leben wollen und können, werden sie in der beginnenden Arbeiterlosigkeit für Unternehmen immer attraktiver und setzen selbst die Grenzen, zu denen sie bereit sind, zu arbeiten.
Was ist den Deutschen eigentlich wichtig?
Woher nehmen Arbeitnehmer:innen ihre Motivation, jeden Tag aufs neue ihrem Job nachzugehen? Die inneren Antreiber sind sicherlich vielfältig und können ganz im Sinne des Individualismus auch völlig unterschiedlich sein. Zufriedenheitsfaktoren, die sich direkt in der Stelle widerspiegeln sind jedoch Klassiker wie Bezahlung, Wertschätzung, Kollegialität oder Selbstverwirklichung. Der Werte-Index 2022, eine Erhebung von Daten aus den Sozialen Medien, zeigt aktuell drei Trends:
- Regenerativ leben
- Einengendes loslassen
- Gemeinschaft wagen
Die Menschen werden bewusster ihrer Umwelt und auch sich selbst gegenüber. Sie lehnen normative Vorstellungen anderer ab und wollen lieber nach ihren eigenen Werten leben und arbeiten. Und sie suchen nach mehr Gemeinschaft, nicht nur im häuslichen Rahmen, sondern auch virtuell.
Diese Trends untermauern, dass die Arbeitswelt sich anpassen muss, um junge Talente der Generationen Y und Z erreichen zu können. Nicht jede:r wird mit einem guten Gehalt und Unternehmensbenefits angelockt werden können, wenn Aspekte wie Flexibilität und individuelle Entfaltung fehlen. Ein Unternehmen, das auf Klimaneutralität achtet, kann ein entscheidendes Zufriedenheitsplus erwirken, Gleichberechtigung und Diversität sind den jungen Generationen wichtig.
Als Quintessenz könnte man sagen, dass die Zufriedenheit auf der Arbeit immer mehr davon abhängig ist, wie sehr sie mit den Werten und allgemeinen Lebenswünschen der Arbeitnehmer:innen vereinbar ist.
Quiet Quitting – Wenn die Extrameile plötzlich fehlt
Deutlich zeigt sich dies an einem ganz anderen Trend, der aktuell vor allem in den USA beobachtet wird, aber auch in Deutschland bekannt ist: Das sogenannte Quiet Quitting. Die Bezeichnung ist eigentlich irreführend, denn sie legt nahe, Arbeitnehmer:innen würden ihren Job still und heimlich innerlich kündigen. Dabei bedeutet das Phänomen eigentlich nichts anderes, als dass man wirklich nur das tut, für das man bezahlt wird. Fehlende Wertschätzung finanzieller aber auch sozialer Art führt dazu, dass Angestellte plötzlich bei Feierabend wirklich aufhören zu arbeiten, unbezahlte Überstunden ablehnen und nur die Arbeit erledigen, die auch in ihrer Jobbeschreibung steht.
Dass dies als “Phänomen” erkannt wird, zeigt deutlich eine Arbeitsmentalität, die vorgaukelt, dass all dies völlig normal sei. Einsatz zeigt nur, wer jeden Tag länger bleibt, und Erfolg haben kann nur, wer mehr macht, als er müsste. Profitiert haben davon jahrelang so manche (nicht alle!) Unternehmen, die ihre Gewinne durch – salopp gesagt – Umsonst-Arbeit immer weiter ausbauen konnten, was aber leider nicht unbedingt auch zu äquivalenten Gewinnen oder Entlastungen der Arbeiterschaft führte. Vor allem die Generation Z schiebt dem jetzt einen Riegel vor. Es geht nicht einmal um eine überdurchschnittliche, sondern einfach um eine faire Bezahlung für das, was man für ein Unternehmen leistet.
Dass dies überhaupt möglich ist, liegt an der oben bereits erwähnten beginnenden Arbeiterlosigkeit. An dieser Stelle sei auf das Buch “Die große Arbeit(s)erlosigkeit” von Sebastian Dettmers hingewiesen, in dem dieser Begriff kreiert wurde. Durch sinkende Geburtenraten (und zugegebenermaßen auch Fehler in der Bildungs- und Zuwanderungspolitik der vergangenen Jahrzehnte) wird der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften immer größer. Profitieren können davon gut ausgebildete Arbeitnehmer:innen, die nun selbst entscheiden können, zu welchen Bedingungen sie arbeiten möchten.
Der Schlüssel zur Zufriedenheit bei der Arbeit: Mündige Arbeitnehmer:innen, die wissen, was sie wollen
Jahrhunderte lang war unsere Arbeitswelt von einem Überschuss an Arbeitskraft und einem Mangel an Arbeit gekennzeichnet. In unserer modernen und hochtechnologisierten (westlichen) Welt kehrt dieser Trend sich zusehends um. Wer als Unternehmen motivierte Arbeitskräfte sucht, der muss sich den aktuellen Entwicklungen anpassen und seinen Arbeitnehmer:innen das ermöglichen, was sie individuell zufriedenstellt.
Eine faire Bezahlung, flexible Arbeitsmodelle und sinnhafte Arbeit sind die Stichwörter, mit denen sich Angehörige der Generationen Y und Z locken lassen und die sie wirklich zufrieden machen. Eine steile Karriere, die verschwenderischen Konsum ermöglicht, ist ihnen in der Regel egal. Eröffnen sich ihnen bessere Perspektiven, bleiben sie nicht bei einem Arbeitgeber, der ihnen keine Benefits jenseits der Bezahlung bietet. Sie haben keine vorhersehbaren Lebensziele, sondern gestalten sich ihr Leben selbstbewusst so, wie sie es wünschen.
as heißt aber nicht, dass sie nicht auch bereit wären, zu geben. Denn in all ihrer Individualität wünschen sich auch die jungen Generationen Lebensperspektiven, die vereinbar miteinander sind, und sind bereit, dafür vollen Einsatz zu zeigen. Sie lassen sich bloß nicht mit leeren Versprechungen abspeisen.
Das heißt aber nicht, dass sie nicht auch bereit wären, zu geben. Denn in all ihrer Individualität wünschen sich auch die jungen Generationen Lebensperspektiven, die vereinbar miteinander sind, und sind bereit, dafür vollen Einsatz zu zeigen. Sie lassen sich bloß nicht mit leeren Versprechungen abspeisen.