Die meisten Menschen kennen das. Das Leben ist prall gefüllt mit Verpflichtungen, Verantwortung und Terminen. Dabei bleibt wenig Zeit für sich selbst. Für Entspannung, Ruhe und Bewegung. Leider (oder zum Glück) meldet sich der Körper irgendwann mit kleinen Hinweisen.
Wir spüren die ersten Wehwechen. Es zwickt hier und da, beim Aufstehen am Morgen schmerzt es am Rücken und so weiter. Der Arzt hat gesagt: „Bewegung tut gut.“ Die Frau/der Mann hat gesagt: „Du könntest ja auch mal wieder etwas tun“ und wir selbst fühlen uns nicht mehr wohl in unserer Haut.
Nächster Halt: Fitnessstudio. Je nach Fitnessstudio gibt es für Neumitglieder (oder auch bestehende) ein Gespräch und daraufhin eine Einweisung an den Geräten, beziehungsweise ein „individuelles“ Programm auf unsere Bedürfnisse abgestimmt. Jetzt kommt der Punkt, an dem sich Frauen und Männer unterscheiden (ich spreche aus persönlichen Erfahrungen).
Fehler beim Training: Zu schnell zu viel wollen
Frauen halten sich meistens an die Pläne, die sie von den Trainern erstellt bekommen haben (ob das überhaupt Sinn macht, will ich hier nicht weiter ausführen). Männer hingegen sind oft ungeduldig, übermotiviert und wollen ganz schnell ganz viel. Da werden von Anfang an schwere Gewichte aufgeladen, eine Sporteinheit dauert nicht nur eine, sondern gleich zwei Stunden, die Joggingrouten für Anfänger sind doch nichts für den hochmotivierten Mann und so weiter und so fort.
Idealerweise passiert auch gleich sehr viel. Die Muskeln wachsen, die Ausdauer wird besser, das Selbstbewusstsein steigt enorm. Vielleicht purzeln auch ein paar überflüssige Pfunde. Insgesamt einfach nur toll.
Plötzlich geht gar nichts mehr – wenn Sport dem Körper schadet
Doch dann passiert es. Nach drei bis vier Monaten – manchmal früher, manchmal später – schreit der Körper „HALT“. Warum er schreit und nicht erst leise „HALLO“ sagt, ist ganz einfach zu begründen. Die ersten Anzeichen von Überlastung, „falscher“ Bewegung, zu wenig Regeneration, zu wenig Ausgleich werden im hochmotivierten Zustand leider sehr häufig überhört.
Die Müdigkeit wird auf das späte Zubettgehen geschoben, die Schmerzen in den Schultern kommen vom Schlafen, die schlechte Konzentrationsfähigkeit ist ein Zeichen von Überarbeitung (um nur ein paar Beispiele zu nennen). Man(n) ist gerade so gut dabei, dass man sich nicht bremsen lassen will – auch nicht vom eigenen Körper.
Warum passiert das? Wie immer im Leben, kann man nichts pauschalisieren und die Gründe dafür, dass ein Körper rebelliert, können vielseitig sein. Ein jedoch sehr häufiger Grund für die unterschiedlichsten Schmerzen, Verletzungen oder Erkrankungen nach einem Turbo-Sport-Start von 0 auf 100 in nur wenigen Tagen ist die Ausgangssituation des Körpers.
Im Laufe der Zeit (wenn wir nicht darauf achten) gewöhnen wir uns Fehlhaltungen an, oder wir haben sie schon seit der Geburt. Die Form der Fehlhaltung kann sehr unterschiedlich sein.
Beispiele für Fehlhaltungen
- ein runder, oberer Rücken (Kyphose) vom vielen Arbeiten am Schreibtisch
- ein nach vorne gezogener Kopf durch das viele Smartphone-Schauen (ich nenne es auch gerne das Schildkröten-Syndrom)
- nach vorne gerollte Schultern ebenfalls von der vielen Schreibtischarbeit, aber auch von der Last, die wir auf den Schultern tragen
- verkürzte Muskeln, Bänder, Faszien in den vorderen Oberschenkeln durch das viele Sitzen
- verklebte Muskeln im Gesäß und in der Hüfte ebenfalls vom vielen Sitzen
- ein Hohlkreuz (Hyperlordose) ebenfalls vom vielen Sitzen
- verkürzte Faszien an den Innenseiten oder Außenseiten der Beine durch falsches Gehen und noch vieles mehr
Wenn wir mit diesen und/oder noch weiteren Fehlhaltungen mit komplexem Training starten, ohne im Vorfeld darauf einzugehen, muss es früher oder später klemmen. Das Beispiel der nach vorne rollenden Schultern ist sehr gut vorstellbar. Dabei ist die Brustmuskulatur meistens verkürzt und die Rückenmuskulatur eher lang und schwach. Schon ohne Zusatzgewicht fällt es Menschen mit dieser Fehlhaltung sehr schwer (oder es ist ihnen gar unmöglich), die Arme im rechten Winkel nach oben zu bewegen.
Wem das aber nicht möglich ist und trotzdem Übungen ausführt, die über Kopf gehen, kann sie nicht richtig ausführen. Wenn dann auch noch zusätzliches Gewicht verwendet wird, muss es früher oder später „quietschen“.
Impingement Syndrom: Was passiert mit der Schulter, wenn wir die Fehlhaltung beibehalten?
Was passiert in den Schultern (um bei diesem Beispiel zu bleiben)? Durch die Fehlhaltung in der Bewegung werden Sehnen und Muskeln permanent eingeklemmt. Anfangs spüren wir nur ein kleines Stechen, das jedoch ohne Berücksichtigung zu einem dauernden, stechenden Schmerz im Schultergelenk führen kann. Die schlimmste Folge: Impingement Syndrom. Die nächste Station ist der Orthopäde mit folgendem Röntgenbild oder MRT und daraufhin Besuche beim Physiotherapeuten. Spätestens jetzt sind wir bei der Sport-Frustration angekommen.
Wie sollte man mit dem Training beginnen?
Um das oder auch andere Verletzungen zu vermeiden, sollten wir beim sportlichen Start oder Neustart die Zeit und eventuell das Geld investieren, um uns einmal richtig durchchecken zu lassen. Ein guter Trainer überprüft die Bewegungen des Körpers und empfiehlt daraufhin entsprechende Übungen.
Übungen, die den Fehlhaltungen entgegenwirken, die die muskuläre Balance im Körper wieder herstellen, um dann im harmonischen Zustand Vollgas geben zu können. Meistens kann man in der Anfangsphase sogar beides tun. Sowohl Haltungstraining als auch Muskelaufbau-, Kraft-, Kraft-/Ausdauer-Training ausführen.
Wer um seinen Körper weiß und wer darauf achtet, welche Bewegungen gut und welche nicht so gut sind, der geht achtsam mit sich um und wird in der Regel mit einem dauerhaft guten Körpergefühl belohnt. Wer seinen Körper nicht beachtet und auch nicht auf die Signale hört, wird relativ schnell frustriert sein und im schlimmsten Fall die sportlichen Aktivitäten wieder an den Nagel hängen.
Zu guter Letzt: Vorsorge (Prävention) ist besser als Nachsorge
Insbesondere für Menschen, die viel am Schreibtisch sitzen, können ein paar Übungen, die regelmäßig ausgeführt werden, dafür sorgen, dass sich Fehlhaltungen erst gar nicht einschleichen. Es ist jedoch wichtig, dass auch diese Übungen richtig ausgeführt werden und im Zweifelsfall sollte immer ein Profi zurate gezogen werden. Hier nur ein kleiner Eindruck von Übungen, die überall und fast ohne Equipment ausgeführt werden können.
1.Übung: Rücken-/Synchronisierungsübung
Diese Übung trainiert besonders gut Rücken und Po. Gleichzeitig findet jedoch auch eine Synchronisierung der Körperhälften (und auch der Gehirnhälften) statt, da die entgegengesetzten Gliedmaßen miteinander agieren.
Die Ausführung
- Begebe dich in einen Vierfüßlerstand. Das bedeutet, dass beide Hände und beide Knie am Boden abgesetzt sind. Die Hände sollten in der Flucht der Schulter am Boden aufliegen, die Knie hüftbreit aufgestellt sein, so dass sich die Beine im rechten Winkel befinden.
- Sobald du einen guten Stand gefunden hast, streckst du zuerst den rechten Arm und dann das linke Bein gerade aus, sodass der Arm, der Oberkörper und das entgegengesetzte Bein (in diesem Fall das linke Bein) eine gerade Linie bilden. Ziehe dabei deinen Rücken richtig auseinander.
- Führe nun den Ellenbogen des gestreckten Arms und das entgegengesetzte Knie unter dem Körper zusammen.
- Setze den Arm und das Bein wieder am Boden ab und wiederhole das gleiche mit dem linken Arm und dem rechten Bein.
- Führe die Übung langsam und konzentriert aus und spüre dabei, wie sich deine Muskulatur auseinander zieht.
- Wiederhole die Übung insgesamt 20 Mal (pro Seite 10 Wiederholungen). Nach einer kurzen Pause kannst du noch weitere zwei Sätze à 20 Wiederholungen machen.
2. Übung: Schulter-/Rückenübung
Diese Übung beansprucht insbesondere den oberen Rücken, aber auch die Arme und die Schultern. Sie hilft dabei, eine aufrechte Haltung zu behalten oder wiederherzustellen. Allerdings benötigt man dabei ein Fitnessband.
Die Ausführung
- Setze dich auf den Boden, die Beine sind leicht angewinkelt.
- Der Oberkörper befindet sich in einer aufrechten Position.
- Positioniere das Fitnessband um deine Füße und umfasse die Enden.
- Wenn die Arme gestreckt sind (also Richtung Füße ausgestreckt sind), ist das Fitnessband leicht gespannt.
- Nun ziehe das Band mit beiden Armen in Richtung Brustbein; die Arme bewegen sich dabei seitlich am Oberkörper vorbei nach hinten.
- Schiebe während der Ausführung das Brustbein nach vorne und bringe die Schulterblätter in Richtung Wirbelsäule zusammen. Bitte achte darauf, dass du die Schultern nicht hochziehst und achte auf deine Atmung. Bei Kraftaufwand (wenn du das Band nach hinten ziehst), atmest du aus.
- Führe die Übung moderat aus und wiederhole sie 15 Mal. Nach einer kurzen Pause kannst du weitere zwei Sätze à 15 Wiederholungen machen.
3. Übung: Becken-/Rücken-/Poübung
Diese Übung kräftigt sowohl den Rücken als auch den Po und ist insbesondere bei viel sitzenden Menschen zu empfehlen, weil sie die Hüfte in die entgegengesetzte Richtung wie beim Sitzen bringt.
Die Ausführung
- Lege dich auf den Rücken, die Arme liegen neben dem Körper, die Beine sind angewinkelt, die Füße hüftweit aufgestellt.
- Spanne Po und Oberschenkel an und bringe das Becken langsam nach oben.
- Das Becken sollte soweit nach oben gebracht werden, dass nur noch die Schulterblätter und der Kopf am Boden liegen.
- Zähle langsam bis Fünf und senke dann den Po langsam wieder ab – am besten Wirbel für Wirbel.
- Führe die Übung langsam aus und wiederhole sie zehn bis 15 Mal. Nach einer kurzen Entspannungspause kannst du weitere zwei Sätze à 15 Wiederholungen machen.