Facebook, Instagram und Co. sind bei den meisten von uns sehr präsent und wir verbringen im Schnitt zwei Stunden und 19 Minuten mit surfen, chatten, posten und liken. Dabei wählen wir genau aus, welche Seiten wir von uns zeigen wollen und welche nicht.
Mit unserer ganzen Person oder unserem Leben hat das wenig zu tun. Wenn wir uns vor Anderen nur so ausschnitthaft zeigen – was macht das eigentlich mit unseren Offline-Beziehungen und unserem Offline-Leben?!
Ein Spillover-Effekt vom Netz ins echte Leben?
Gibt es so etwas wie einen „Spillover-Effekt“? Schwappt die Inszenierung im Netz über auf die Inszenierung unseres echten Lebens? Kann es sein, dass wir auch gegenüber unseren „Offline-Freunden“ – also denen, die wir nicht nur auf Facebook und Co. treffen – eher die positiven Momente und unsere Stärken betonen?
Im Beruf inszenieren wir uns auch
So weit hergeholt ist diese Idee gar nicht. Schließlich machen viele von uns genau das im Berufsleben. Da reden wir vor allem über unsere Stärken und Erfolge. Manche betonen auf geradezu strategische Art und Weise ihre Kompetenz. Sie tun so, als seien sie nie müde, frustriert, demotiviert, inkompetent, fehlerbehaftet.
Wenn wir die offizielle Inszenierung im Büro ernst nehmen – dann ist Arbeiten für viele Menschen genauso eine Hochglanzveranstaltung wie das Leben, das sie in den sozialen Medien zeigen.
Nehmen wir uns selbst als Geisel?
So weit, so schlecht. Aber was ist, wenn das auch noch im Privatleben passiert? Wenn wir mit unseren Freunden über alles reden außer unsere Ängste, Schwächen, Selbstzweifel? Ist es wirklich möglich, dass wir offline – im echten Leben – das wiederholen, was online passiert?
Klar ist das möglich! Wir können uns selbst als Geisel unseres öffentlichen Images nehmen. Immer gut drauf sein, immer gut aussehen, immer eine Erfolgsgeschichte auf Lager haben. Das geht.
Die Frage ist, ob wir das auch tun wollen. Und ob es uns gut tut.
Die Forschung sagt: Unglück gehört zum guten Leben
Die Antwort darauf lautet: nein! Die wissenschaftliche Forschung zu Wohlbefinden (well-being) hat hier einige interessante Erkenntnisse zu bieten. Sie sagt: Wohlbefinden bedeutet eben nicht, dass man immer gut gelaunt ist, Spaß hat und überglücklich ist. Wohlbefinden entsteht, wenn wir das Leben in vollen Zügen auskosten – wenn wir es leben. Und zwar mitsamt der Seiten, die erst mal nicht positiv sind, die aber zum Leben unbedingt dazugehören.
In anderen Worten: zu Wohlbefinden gehören Erlebnisse dazu, die unangenehm sind. Trauer, Selbstzweifel, Scheitern. Das sind die Momente, die uns wachsen lassen. Das sind die Seiten des Lebens, die uns fordern – und uns die Entwicklung hin zur reifen Persönlichkeit ermöglichen. Sie gehören dazu. Und wenn wir sie unterdrücken und verschweigen, beschneiden wir die Qualität unseres Lebens. Und das braucht keiner. Auch unsere Offline- und Online-Freunde nicht.