Wenn es um das Thema Fasten geht, werde ich häufig gefragt, ob es denn überhaupt gesund sei, längere Zeit auf Nahrung zu verzichten. Doch während viele mit Fasten einen qualvollen Verzicht auf Nahrung verbinden, handelt es sich dabei vielmehr um eine natürliche Funktion des Körpers, die nicht nur unserer physischen, sondern auch unserer mentalen Gesundheit zugute kommen kann. Daher möchte ich dir heute praktische Tipps aus dem Yoga präsentieren, wie du Fasten ganz leicht zwischen Beruf, Familie und Freizeit in deinen Alltags integrieren kannst.
Vom Vielfraß zum fastenden Yogi
Ich bin immer schon sehr sportlich und körperlich aktiv gewesen und habe mich auch viel mit Ernährung auseinandergesetzt. Mein Ernährungsverhalten orientierte ich früher an den gängigen Empfehlungen für Sportler: Dabei wird einem geraten, viele kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt zu sich zu nehmen, damit der Körper nicht zu viel auf einmal zu verdauen hat, der Blutzuckerspiegel konstant bleibt und „stetig mit Nährstoffen versorgt ist“. Somit habe ich im Laufe des Tages etwa acht kleine und große Mahlzeiten gegessen.
Eines Tages bekam ich Besuch eines Freundes. Als er mir beim Essen zusah, meinte er irgendwann: „Bei dir zählt man nicht die Mahlzeiten, die du isst, sondern die kleinen Perioden dazwischen, in denen du nichts isst. Du isst eigentlich den ganzen Tag!“
Und er hatte Recht: Mit der Idee, zu fasten oder längere Zeit nichts zu essen, konnte ich damals überhaupt nichts anfangen.
Es war mir total abstrus … Bis ich mit Yoga angefangen habe.
Ein gesunder Körper ist ein energiegeladener Körper
Im Yoga sagt man, ein Körper sei dann gesund, wenn er voll Energie ist. Und als ich anfing, mich an das Fasten heranzutasten, habe ich gemerkt, dass ich tatsächlich plötzlich mehr Energie hatte und mich besser konzentrieren konnte. Doch ist das nicht unlogisch, dass man mehr Energie verspürt, obwohl man dem Körper weniger „Kraftmittel“ zuführt?
Die Erklärung liegt in einem Vorgang in unserem Körper, den mittlerweile viele wissenschaftlichen Studien untersucht haben: Wenn man längere Zeit nichts isst, dann gibt der Körper ein Hormon ab, das sogenannte Ghrelin. Dieses Hormon regelt im menschlichen und tierischen Körper neben anderen Hormonen unser Hunger- und Sättigungsgefühl.
Unterschiedliche Studien zeigen, dass das Hormon nicht nur eine Verbesserung von Gedächtnis und Lernprozessen bewirkt, sondern auch antidepressiv und stressmindernd wirken kann.
In einer Studie mit zwei Gruppen wurde außerdem gezeigt, dass das Fasten Ängste abbauen kann: Die Forschungsteilnehmer, die fasteten, zeigten sich insgesamt risikobereiter, da sie dadurch weniger Ängste hatten als die Teilnehmer der Kontrollgruppe, die nicht fasteten.
Die goldenen Regeln des Fastens im Yoga
Fasten ist natürlich nicht für jeden sofort geeignet und es gibt ein paar Dinge, die man dabei beachten sollte, um so viele Benefits wie möglich aus den Fastenphasen zu ziehen. Die folgenden drei Regeln können dir helfen, damit richtig Erfolg zu haben.
1. Zwinge dich nicht zu fasten
Eine der wichtigsten Regeln beim Fasten ist es, dich nicht dazu zu zwingen. Denn es geht nicht um einen Wettkampf mit sich selbst oder darum, eine Challenge zu gewinnen, indem man über einen möglichst langen Zeitraum nichts mehr isst; es geht darum, deinem Körper etwas gutes zu tun und ihn mit natürlichen biologischen Zyklen abzustimmen.
Die menschliche Physiologie durchschreitet etwa alle 40 bis 48 Tage einen bestimmten Zyklus, der in der indischen Tradition „Mandala“ genannt wird. Während diesem wird der Körper ganz natürlich an drei Tagen – etwa alle zwei Wochen – nicht nach Essen verlangen.
Diese Tage kann man spüren, wenn man ein gewisses Bewusstsein und Körperempfinden entwickelt hat. Wenn du zum Beispiel fühlst, dass du an einem Tag keinen wirklichen Hunger hast, dann ist das also vollkommen in Ordnung und du brauchst auch keine Nahrung zu dir nehmen. Anstatt aus Gewohnheit zu essen, ist es ratsam, manchmal einfach auf unseren Körper zu hören – denn schließlich weiß er am besten, was er braucht.
Übrigens finden vergleichbare Zyklen auch bei Tieren statt! Fasten sollte also etwas Natürliches werden. Idealerweise entwickelt man ein Gefühl dafür, wann der Körper wirklich etwas zu essen braucht und reagiert dann danach.
Im Yoga sagt man, dass man zwischen zwei Mahlzeiten idealerweise einen Abstand von acht Stunden haben sollte – sozusagen eine Art „Minifasten“. In dieser Zeit leert sich der Magen, was wiederum dazu führt, dass unsere Ausscheidung optimal funktioniert und eine gewisse Reinigung stattfindet.
Wenn man seinen Körper aber noch nicht darauf vorbereitet hat oder einfach noch nicht so weit ist, dann können acht Stunden schon eine sehr lange Zeit sein. In diesem Fall ist es auch in Ordnung, anfangs nur eine fünf Stunden Pause zwischen den Mahlzeiten zu lassen.
2. Lerne, wieder bewusst zu essen
Nach einer Fastenphase (beispielsweise unserem achtstündigen „Minifasten“) ist der Impuls oft, dass man sich auf das Essen stürzt, weil man hungrig ist. Was im Yoga hierbei viel gemacht wird, ist, sich kurz einen Moment zur Seite zu nehmen und Stille zu halten.
Es geht darum, eine gewisse Dankbarkeit zu entwickeln für die Nahrung, die vor dir liegt und alles, was dazugehört: der Acker, auf dem das Essen gewachsen ist, der Bauer, der es geerntet hat, der Transport, um es in den Supermarkt zu bringen und der Koch, der es zubereitet hat.
Wenn man vor dem Essen innehält und achtsam wird, passieren zwei Dinge: Man nimmt einerseits eine gewisse Verbindung zu dem Essen auf; andererseits unterbricht man gewissermaßen den eigenen Automatismus, indem man über einen körperlichen Impuls (sofort das Essen „in dich reinzuschieben“) herauswächst und bewusst für einen Moment innehält.
Dadurch entsteht Dankbarkeit, Achtsamkeit und eine gewisse Distanz zwischen uns selbst und den körperlichen Trieben, die uns oft kontrollieren.
3. Bereite dich vor
Wenn du merkst, dass dich das ganze Fasten noch ein wenig überfordert, du vielleicht Unterzucker bekommst oder dich einfach noch nicht reif dazu fühlst, dann beginn einfach in kleinen Schritten: Du kannst beispielsweise einen Tag lang nur Früchte essen, dann im nächsten Schritt nur Smoothies zu dir nehmen und dann, an einem weiteren Fasttag, nur Tee mit Honig trinken (der Honig ist hierbei als Zucker eine gewisse Nährstoffzufuhr von außen).
Ein weiterer wichtiger Punkt ist regelmäßige Yogapraxis und Meditation, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann. In der Zeit, in der ich viele kleine Mahlzeiten zu mir genommen habe, habe ich schon Hunger verspürt und mich unwohl gefühlt, wenn ich einmal zwei Stunden nichts zu essen bekam.
Ich habe dann mit einer 20-minütigen Yogapraxis angefangen – und plötzlich war das alles kein Problem mehr. Durch Yoga und Meditationsübungen können Körper und Geist stabilisiert werden und plötzlich war es für mich kein großes Ding mehr, mal eine Periode lang nichts zu essen.
Daneben ist natürlich auch noch ein gesunder Lebensstil wichtig: Wenn du zum Beispiel regelmäßig Koffein zu dir nimmst (als Tee oder Kaffee), dann wird es dir vermutlich viel schwerer fallen zu fasten, weil eine gewisse Abhängigkeit entsteht und der Körper einfach nicht richtig funktionieren kann.
Ein praktischer Tipp für den Alltag
Für mich persönlich haben sich zwei Wege etabliert: Entweder, ich höre auf mein Körpergefühl, das mir sagt, wann ich wirklich hungrig bin oder nicht, oder aber ich orientiere mich an „Ekadashi“. Dabei handelt es sich um gewisse Tage in der Yogatradition, die in Zusammenhang mit den Zyklen der Natur stehen.
Sie finden jeden 11. Tag nach dem Neumond und jeden 11. Tag nach dem Vollmond statt (hier findet ihr einen Kalender, an dem die Tage eingezeichnet sind). Ekadashi ist sehr hilfreich, wenn man anfangs zu sehr in Gewohnheiten verstrickt ist und noch nicht spürt, wann der Körper Nahrung braucht – oder aber, wenn der Alltag so vollgepackt ist, dass man das Fasten gewissermaßen „einplanen“ muss.
Das Fasten selbst gestalte ich so: Meine letzte Mahlzeit nehme ich am Abend vor dem Fasttag zu mir, beispielsweise um 19 Uhr abends. Am nächsten Tag faste ich – das heißt, ich verzichte im Laufe des Tages komplett auf Nahrung und trinke nur ganz normal Wasser und Kräutertee. Um 19 Uhr esse ich dann meine erste Mahlzeit; ich habe also insgesamt eine 24-Stunden-Periode, in der ich keine Nahrung zu mir nehme.
Das ist mein Standardvorgehen. Wenn es allerdings stressig ist, kann es auch vorkommen, dass sich diese Periode verschiebt und ich beispielsweise zu Mittag meine letzte Mahlzeit esse und dann 24 Stunden bis zum Mittag des nächsten Tages faste. Diese Methode funktioniert für mich super.
Probier das Fasten einfach mal aus
Also egal, wo du gerade stehst, ob du dich fit fühlst, ob du glaubst, dass es geht oder nicht – mit einer gewissen Vorbereitung wie beispielsweise Yoga und einem schrittweisen Herantasten ist das Fasten gar keine so große Sache. Du wirst bemerken, wie gut diese Fasttage tun. Ich persönlich fühle mich an den Tagen danach immer wie frisch geölt!
Mein Vorschlag ist also: Probiere es aus! Fang in kleinen Schritten an und stabilisiere deinen Körper und Geist mit kleinen Übungen aus dem Yoga. Wenn es dir jetzt noch schwer fällt, dann brauchst dir keine Sorgen zu machen. Bleib bei deinen Yogaübungen, lerne auf deinen Körper zu hören und taste dich Schritt für Schritt vorwärts.
Ich erinnere mich noch, wie selbst fünf Stunden ohne Essen für mich eine kleine Tortur waren. Und nach einiger Zeit des Yoga und bewussten Lebens war selbst ein ganzer Tag kein Problem mehr.
Hast du schon Erfahrungen mit dem Fasten gemacht? Wie hast du damit angefangen und was hilft dir, das Fasten in den Alltag zu integrieren? Ich hoffe, der Artikel konnte einige offene Fragen klären und hat dir gefallen! Wenn du Fragen, Anmerkungen oder Feedback hast, dann kannst du jederzeit bei mir auf Soul of Yoga in München oder auf meiner Facebook-Seite melden!
Alles Gute,
Hans
(*) Ekadashi ist Sanskrit und beschreibt den elften Tag nach Neu- bzw. Vollmond. Diese Tage gelten als besonders geeignet zum Fasten und sind auch in verschiedenen Kalendern im Internet hinterlegt (Note: Link zum Kalender einfügen?).