Wer Gedanken lesen kann, der verfügt sozusagen über zauberische Fähigkeit. Schon seit langem ist es ein Bedürfnis der Menschheit, die Gedanken des Gegenübers lesen zu können, um so in dessen die Seele zu blicken. Aber wie soll das gehen?
Im Alltag wünschen wir uns oft einen Zauberstab, mit dem wir schwierige Situationen erleichtern oder uns an einen anderen Ort wünschen können.
Mit dem wir Konflikte verhindern können, oder wenn diese bereits entstanden sind, sie schnellstmöglich zu einem positiven Ende zu bringen.
Wer die Mimik des Gegenübers nicht nur wahrnehmen, sondern auch lesen und entschlüsseln kann, ist klar im Vorteil. Denn hierin verbirgt sich eine große Fähigkeit, nicht nur empathisch, sondern auch besonders aufmerksam zu sein.
Besser kommunizieren durch mehr Aufmerksamkeit
In den Zeiten der medialen Vielfalt ist unsere Aufmerksamkeitsspanne stark geschrumpft. Spätestens alle 6-7 Sekunden brauchen wir einen neuen Impuls, um tatsächlich bei der Sache bleiben zu können, dies ergaben Studien.
Ständig gibt es neue Einflüsse, die nach uns verlangen: Hier poppt eine WhatsApp-Nachricht auf unserem Handy auf, dort läutet eine E-Mail im Posteingang und an anderer Stelle verlangt Facebook nach unserer Aufmerksamkeit.
Ständig klicken wir hin und her, werfen einen kleinen Blick in diese Nachricht und in jene, kommentieren und sind schon wieder bei der nächsten Neuigkeit.
Für unsere Wahrnehmung bedeutet dies, dass wir kaum lange fokussiert und konzentriert hinschauen können. Zudem haben wir – oder unsere Erziehung – es uns abgewöhnt, dass wir unseren Gesprächspartnern überhaupt länger ins Gesicht schauen.
Wir sollen Menschen nicht so anstarren bekommen wir als Kinder gesagt, nicht so sehr auf Besonderheiten bei anderen achten – wie vielleicht ein zuckendes Auge oder ein Bein, das nachgezogen wird. Dabei liegt doch genau hier der Schlüssel zur Zauberei!
Denn exakt das ist es doch worauf es ankommt: in das Gesicht der Menschen, mit denen wir zu tun haben, zu schauen und Ausschau nach dem zu halten, was tatsächlich ist. Was verbirgt sich hinter der Maske, die viele Menschen täglich aufsetzen, um im Alltag bestehen zu können – dem Alltag überhaupt standhalten zu können?
Hinter die Maske können wir nur dann schauen, wenn wir uns trauen, den Gesprächspartner quasi nicht aus den Augen zu lassen.
Andere besser verstehen, indem wir ihre Mimik deuten
Warum zum Beispiel ist Sherlock Holmes ein so guter Kriminalist? Er ist einfach ein begnadeter Beobachter! Schon in einer „Studie in Scharlachrot“ beschrieb er, dass einem Menschen, der in Wahrnehmung geschult ist, nichts beim Gegenüber wirklich entgeht – sei es ein kleines Zucken, ein Wort oder eine Geste.
Holmes ist deshalb so gut, weil er genau mit diesen Aspekten arbeitet. Er beobachtet überaus penibel und ist sehr sensibel in seiner Wahrnehmung – auch wenn er uns manchmal wirklich verschrobenen erscheint.
Beinah alle durch Film und Fernsehen bekannten genauen Beobachter, die uns ein wenig wie Zauberer vorkommen – sei es Cal Lightman in „Lie to me“ oder der „Mentalist“ – arbeiten eben mit der Methodik der gründlichen Beobachtung. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, das was sie sehen auch wahrzunehmen und nicht gleich bei der ersten Beobachtung laut „HAH jetzt hab ich dich“ zu schreien, sondern die einzelnen Aspekte wie ein Puzzle zu einem Ganzen zusammen zu fügen.
Sie interpretieren Gesehenes also nicht sofort. Sie erstellen erst dann ein Gesamtbild, wenn sie einige Informationen gesammelt haben und haben schwupps den Täter entlarvt. Auf die Außenwelt wirkt das, als verfügten sie über magische Kräfte.
Das, was alle diese Krimihelden eint, ist ihre Fähigkeit, konzentriert zu beobachten. Dies lässt sich erlernen!
So kann man die eigene Wahrnehmung schärfen
Was bedeutet das für uns in unserem Alltag? Erst einmal die eigene Wahrnehmung zu schärfen und genau hinzusehen – dann lässt sich schon viel erkennen, auch ohne dass man eine besondere Methode erlernt.
Beim wirklich genauen Hinschauen jedoch macht es Sinn, sich mit der Mimik des Menschen ein wenig vertraut zu machen: Wie gucken Menschen, wenn sie zum Beispiel ärgerlich sind oder sich freuen? Sind hochgezogenen Mundwinkel tatsächlich ein unverkennbares Zeichen für echt empfundenen Freude? Oder gibt es da noch mehr?
Auf dem Weg vom Höhlenmenschen bis zur Neuzeit haben wir nicht wirklich viel an unseren Grundverhaltensmustern geändert – gut, wir zerren uns im Regelfall nicht mehr an den Haaren in eine Höhle und wir tanzen auch meist nicht mehr wie verrückt um ein kleines Flämmchen und brüllen: „ICH habe Feuer gemacht!!!“. Aber unterm Strich sind unsere reaktiven Verhaltensmuster gleich geblieben.
Stelle dir einmal vor, du trittst vor die Höhle (Haus). Ein sehr großes Tier mit Streifen und langen Zähnen erwartet dich bereits. Nun setzt folgender Effekt ein, den wir uns bei unseren Beobachtungen im Alltag der Jetztzeit zunutze machen können: Unser limbisches System – also unser Emotionszentrum – springt an und wir erschrecken uns heftig und kriegen es dann mit der Angst zu tun! Dies passiert in ca 500 mms!
Diese halbe Sekunde ist das Emotionszentrum schneller als unsere motorische Rinde. Nun entscheiden wir, was zu tun ist: Hauen wir dem gestreiften Vieh eins auf die Nase (fight), rennen wir auf und davon (flight), oder stellen wir uns am besten gleich tot (fee)? Die Bedrohungen mögen heutzutage anderer Art sein – unsere Reaktion bleibt immer in diesem Ablauf!
Diese halbe Sekunde ist das Zeitfenster, in dem wir bei genauem Hinsehen das wahre Gesicht unseres Gegenübers erkennen können. Aber wir müssen eben wissen, wonach wir Ausschau halten.
Gesichter deuten mit Mimikresonanz – Überraschung erkennen
Wir nehmen einmal das Beispiel der Überraschung. Überraschung ist eine unserer 7 Basisemotionen und wird kulturübergreifend gleich ausgedrückt. Das bedeutet im Klartext, dass ein Inder genauso ausschaut wie ein Franzose, wenn er überrascht guckt.
Folgendes ist beim Ausdruck der Überraschung zu berücksichtigen: Wir schauen nicht ewige Sekunden überrascht, denn im Regelfall ist das Gefühl der Überraschung kein andauerndes Gefühl, sondern vielmehr eine Art Übergangsemotion.
Auf Überraschung folgt immer ein anderes Gefühl: Freude, Ärger, Angst, Trauer, Ekel oder Verachtung. Ist dies nicht der Fall – und zwar innerhalb kürzester Zeit (1-3 Sekunden) – so können wir uns sicher sein, dass unser Gesprächspartner die Überraschung nur vortäuscht!
Augen auf und hinschauen – das ist der erste Trick beim Zaubern. Dann folgt die Fähigkeit, das Gesehene auch einordnen zu können: also welche mimische muskuläre Bewegung gehört zu welchem Gefühlsausdruck.
Damit arbeiten Lightman, Holmes & Co! Und jetzt auch du!
Empathie statt Interpretation als gute Gesprächskultur
Denn ab jetzt kannst du schon ein bisschen Gedanken lesen – zumindest, wenn es um das Vortäuschen von Überraschung geht! Das kann vor allem am kommenden Muttertag (oder einem Geburtstag, oder an Weihnachten) sehr hilfreich sein: freut sich deine Mutter wirklich über das Geschenk? Oder tut sie einfach nur so?
Sei nicht zu enttäuscht, wenn du nun durch genaues Hinsehen auch Dinge entdeckst (die zwar wahrscheinlich schon immer da waren) die dir persönlich vielleicht nicht so gefallen – frei nach dem Motto: „Mutti, ich dachte du magst Lockenwickler/Handcreme/Kochbuch…, deshalb schenke ich dir das jedes Jahr!“ Und Mutti hat immer nur gute Miene zum bösen Spiel gemacht, um dich nicht zu enttäuschen.
Jetzt plötzlich kannst du ja zaubern und in die Seele deines Gegenübers blicken – nicht immer ist diese Wahrheit leicht zu verdauen. Daher ist der Umgang mit der neu gewonnenen Erkenntnis immens wichtig: Schlussfolgere nicht sofort und ungefiltert, sondern stelle Fragen, um herauszufinden was genau der Unter- und Hintergrund dessen ist, was du wahrnimmst.
So entsteht Empathie und eine empathische Gesprächskultur entstresst das Miteinander und beugt vielen Konflikten vor! Weniger Konflikte und weniger Stress im Alltag tragen dann wiederum sorge dafür, dass du dir selbst weniger Energie raubst und somit auch auf dich und deine Gesundheit achtest.
Und nun wünsche ich dir viel Erfolg bei deinen ersten magischen Schritten…