Catharina Roland ist für ihren Film „Awake – Ein Reiseführer ins Erwachen“ (2012) um die Welt gereist, um Wissenschaftler, Visionäre und spirituelle Lehrer danach zu befragen, wer wir Menschen wirklich sind und wie wir in das Bewusst-Sein erwachen können. Mehr darüber erfahren wir im Interview mit der Filmemacherin, Regisseurin, Sprecherin, alleinerziehenden Mutter, in einer liebevollen Beziehung, Awakening Coach, Yogalehrerin, begeisterten Gärtnerin und Naturfreundin.
“Gestern war ich klug und wollte die Welt verändern. Heute bin ich weise und möchte mich verändern.” Rumi
Liebe Catharina, was beschäftigt dich gerade?
Ich arbeite gerade an einer Fortsetzung meines Films „Awake – Ein Reiseführer ins Erwachen“ mit dem Titel „Awake2Paradise“. Ich stelle mir diesmal die Frage, warum wir Menschen die einzigen Lebewesen sind, die sich bewusst aus der Balance des Ökosystems Erde herausgenommen haben und durch unser Verhalten nicht nur unser eigenes Überleben und das unserer Nachkommen gefährden, sondern auch das unzähliger Arten. Viele davon haben wir sogar schon ausgerottet.
Wir leben auf einem wundervollen Planeten! Geht es nicht eher darum, das Paradies wieder hier zu entdecken und zu manifestieren statt auf den Mars zu ziehen? Wohin auch immer wir reisen oder ziehen – unsere Probleme nehmen wir mit.
Für mich liegt die Ursache unserer Probleme darin, dass wir uns mit unserem Verstand identifiziert haben, mit individuellen Glaubenssätzen und kollektiven Programmen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und die uns weismachen wollen, dass wir immer mehr brauchen, um glücklich zu sein, dass wir einander bekämpfen müssen, dass wir voneinander getrennte, einsame Wesen sind usw.
Unser Verstand ist immer mit der Vergangenheit oder Zukunft beschäftigt, aber niemals im Wunder des Momentes HIER UND JETZT. Er nimmt quasi die Referenzen, die Erfahrungen der Vergangenheit und projiziert diese in die Zukunft. Ich vergleiche diese alten Programmierungen gerne mit einer Brille, durch die wir in die Welt schauen, und die uns nur sehen lässt, was diese alte „Software“ uns vorgibt.
Wollen wir aber ins Jetzt kommen – den einzigen Moment, den es wirklich gibt, den Moment, in dem unser Leben stattfindet – dann sollten wir diese Brille abnehmen und beginnen, uns mit der Intelligenz unseres Herzens zu verbinden, wieder fühlen zu lernen, uns selbst, einander und allen Wesen mit Mitgefühl zu begegnen. Dann werden wir es schaffen, wieder in Freude zu leben und ein Paradies auf Erden zu erschaffen.
Was gibt dir Hoffnung?
Im Moment findet eine riesig große Bewegung des Erwachens statt. Dank der Quantenphysik wissen wir, dass wir alle durch ein kollektives Bewusstseinsfeld miteinander verbunden sind. Wenn ich also zum Beispiel eine „Schattenarbeit“ mache, das heißt einen unterbewussten Persönlichkeitsaspekt ans Licht hole, wenn ich dankbar bin, wenn ich liebevoll handle, wenn ich an meinem Bewusstsein arbeite, dann hat dies durch dieses Feld einen Einfluss auf alle Menschen.
Es geht also nicht nur um das, was wir im Außen tun, indem wir bewusster konsumieren, auf Bio-Märkten regionale Produkte einkaufen oder beginnen, Energie zu sparen. Auch die unsichtbaren, scheinbar kleinen Dinge, bewirken viel im kollektiven Feld. Und so hat die intensive Bewusstseins-Bewegung der letzten Jahrzehnte von einigen Wenigen vorbereitet, dass jetzt ein kollektiver Sprung in ein neues Bewusstsein möglich ist.
Was verstehst du unter neuem Bewusstsein?
Bewusstsein heißt für mich zu erkennen, dass wir alle miteinander verbunden sind, dass wir alle ein Teil des göttlichen Bewusstseins sind, der als Individuum hier auf der Erde Erfahrungen macht. Bewusst SEIN bedeutet für mich also, aus der kollektiven Trance der Identifikation mit dem Verstand zu erwachen und zu lernen, was es bedeutet, Mensch zu sein.
Eine uralte indische Parabel vergleicht das Sein des Menschen mit einer Kutschenfahrt. Der Kutscher ist unser Verstand, die Kutsche unser Körper, die Pferde unsere Instinkte, Gefühle und Emotionen, unsere fünf Sinne. In der Kutsche sitzt der Fahrgast – unsere Seele, die als einzige unseren Weg kennt, weiß, wohin wir reisen sollten, um zu wachsen, zu heilen, uns zu erinnern; sie kennt den Weg ins Paradies. Das Dilemma des Mensch-Seins kann also so aussehen: Die Kutsche ist seit Jahren verwahrlost, die Pferde stürmen jedes in eine andere Richtung, der Kutscher ist betrunken, weiß nicht, wohin er will, er hat seinen Fahrgast vergessen.
Im Prozess des Bewusst-Werdens geht es also darum, dass wir lernen, auf unseren „Fahrgast“, unsere Seele, zu hören. Dabei können wir entdecken, dass unser Körper und unsere Gefühle Botschafter unserer Seele sind. Viele von uns haben selbst schon erfahren, dass eine Krankheit uns immer etwas mitteilen will, uns aufzeigt, wenn unser Verstand mit dem tiefen Wissen unserer Seele nicht in Harmonie ist.
Für mich ist das ganze Leben eine große Übungsmatte. Jeder Moment hält ein großes Geschenk für uns bereit. Von jeder Begegnung kann ich etwas lernen, auch von den schmerzhaften. Jeder Streit, jeder Ärger, alles, womit ich im Widerstand bin, zeigt mir einen Schatten, den ich ins Licht holen kann und somit immer vollständiger werde.
Woraus schließt du, dass es gerade eine große Bewegung des Erwachens gibt?
In den Gesprächen mit meinen Interviewpartnern ist ganz klar zum Ausdruck gekommen, dass diese Veränderungen auf der ganzen Welt zu beobachten sind, an steigenden Zahlen von SeminarteilnehmerInnen, Nachfrage nach entsprechender Literatur, immer mehr Angeboten für spirituelle Seminare, Yoga-Kurse, Meditation und Tai Chi.
Ich beobachte es aber auch direkt in meiner Umgebung. Wir haben bei uns im Ort eine Initiative, die Bio-Produkte von den Bauern aus der Umgebung bezieht und in ihrem Speiselokal anbietet. Überall treffe ich Menschen, im Flugzeug oder in der Bahn, bei denen eine Sehnsucht und eine Bereitschaft da ist, sich auf dieses Abenteuer Erwachen und Spiritualität einzulassen.
Früher haben Menschen mit mir hinter vorgehaltener Hand darüber gesprochen, dass sie etwas spüren, wenn sie jemandem die Hand auflegen. Heute wird ganz offen darüber gesprochen. Ich sehe Leute in der U-Bahn Eckart Tolle lesen. So viele Menschen praktizieren zum Beispiel Yoga. Dabei geht es ja nicht nur um Körperübungen, sondern um eine angewandte Philosophie, die direkt ins Erwachen führen kann. Neue Zeitschriften wie deine. Immer mehr Menschen werden sich darüber bewusst, dass sie selbst die Veränderung sind, die sie in der Welt suchen.
Wie können wir als Einzelne etwas bewirken?
Die stärkste Auswirkung auf die Zerstörung und Ausbeutung der Natur und aller Lebewesen hat unser Konsumverhalten.
Und da liegt gleichzeitig auch eine Riesenchance: Wenn wir beginnen, aus Mitgefühl zu leben (Bernd Kolb bezeichnet es in meinem neuen Film als „unsere höchste Begabung“), dann wird sich unser Konsumverhalten ganz automatisch verändern:
Wir werden biologisch angebaute Lebensmittel von Bauern kaufen, die eine liebevolle Verbindung zu ihren Böden und Tieren haben, wir werden auf Fleisch aus Massentierhaltung verzichten, nur mehr Waschmittel kaufen, die bedenkenlos zurück in unsere Gewässer fließen können, die Handwerker aus unserer Umgebung unterstützen etc. Wenn wir dies tun, wird sich die Wirtschaft von einem Tag auf den anderen ändern (müssen).
Wir haben durch unser Konsumverhalten eine enorme Wirkmacht, die uns natürlich bislang niemals medial bewusst gemacht wurde. Viele Menschen, mit denen ich über eine Veränderung der Einkaufsgewohnheiten spreche, argumentieren: „Aber wenn nur ich das mache, hat es zu wenig Einfluss.“ Das ist ein kollektiver Glaubenssatz, den es zu verändern gilt.
Wir haben einen großen Einfluss auf das kollektive Feld. Und wir dürfen nicht unterschätzen, was wir als Vorbild auslösen. „Was machst du, dass du so strahlst?“ Diese Frage höre und stelle ich oft. Die Antwort ist, dass Menschen, die sich mutig aufgemacht haben, ihr Bewusstsein zu erforschen, ihre Schatten zu erlösen, die ein liebevolles Verhältnis zu ihrem Körper haben, liebevoller mit sich selbst sind und eine Beziehung zu ihrer Nahrung und zur Natur haben und aus dem Herzen leben, einfach ausgeglichener, glücklicher sind, weil sie die Fülle in sich selbst gefunden haben und sie nicht mehr im Außen suchen müssen.
Wir können jeden Tag eine kleine Sache verändern, ohne Stress, und so Schritt für Schritt dem Paradies näher kommen.
Was ist deine Vision?
Wenn wir alle die Vision haben, dass wir auf einer gesunden Erde leben können, unsere Kinder in eine Gemeinschaft entlassen können, in der sie sich geliebt fühlen und ihre Potentiale entfalten können, entsteht ein großer Gemeinschaftsgeist. Veränderung beginnt bei uns selbst. Wir dürfen nicht auf die Politik warten.
Bei sich selber anzufangen bedeutet, Bewusstseinsarbeit zu machen. Das heißt, zu erkennen, welche Programmierungen bei mir wirken, und diese Glaubenssätze aufzulösen. Und sich immer wieder mit dem Herzen verbinden. Zu wissen, dass das Leben immer einen Schatz für uns bereithält. In jedem Konflikt kann ich etwas über mich lernen, verzeihen lernen und wachsen.
„Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann – tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde.“
Margaret Mead
maaS ist ein Mindstyle Magazin für eine erfülltes Leben, das inspiriert, ermutigt und Antworten gibt auf die wichtigsten Fragen des Lebens. Jede Ausgabe widmet sich einem besonderen Thema. Bisher erschienen sind die Titel No.1 Beruf und Berufung, No.2 Frauen und Männer, No. 3 Leben und Sterben, No. 4 Individuum und Gemeinschaft. Im April erscheint die maaS No. 5 Körper und Geist. Alle Titel können hier eingesehen und bestellt werden.Filmtipp: Awake – ein Reiseführer ins Erwachen!