In der Regel machen sich viele Menschen erst dann tiefergehende Gedanken über ihre Gesundheit, wenn erste Symptome auftreten. Aller Anfang gesundheitlicher Beeinträchtigungen beginnt in unserem Kopf.
In unserem Gehirn werden nahezu alle hormonellen Vorgänge unseres Körpers zumindest initiiert. Durch die Zirbeldrüse und vor allem in der Hypophyse werden die zentralen Hormone ausgeschüttet, die alle weiteren Hormondrüsen mehr oder weniger steuern beziehungsweise beeinflussen. Der Hormoncocktail in unserem Blut bestimmt demnach, wie wir uns fühlen, in welcher Weise wir handeln und vor allem wie leistungsfähig unsere Abwehrkräfte funktionieren.
Besonders die einwandfreie Funktion unseres Immunsystems schützt uns vor Ansteckung, Umweltgiften und Krankheit. Das heißt, befindet sich unser Nervensystem beziehungsweise unser Gehirn in einem harmonischen Zustand, sind wir nicht nur durch unsere Selbstheilungskräfte geschützt, sondern auch in unserem Leben nicht überfordert.
Lebensfreude durch Synchronität beider Körperhälften
Stellt sich also die Frage, wann unser Nervensystem beginnt, Schaden zu nehmen und es infolgedessen unsere Gesundheit in Gefahr bringt. Dies ist immer dann der Fall, wenn die beiden Gehirnhemisphären, also die linke und die rechte, nicht mehr Hand in Hand arbeiten.
Bereits die fernöstlichen Religionslehren haben schon vor Tausenden von Jahren erkannt, dass nur die Synchronität beider Körperhälften zum sogenannten „Inneren Frieden“ und damit zu Lebensfreude führt. Je extremer also eine psychische Einseitigkeit ausgeprägt ist, umso schlechter können Alltagsherausforderungen bewältigt werden.
Bei Hochsensiblen dominiert die rechte Gehirnhälfte
Da die Hochsensibilität außerfrage ein psychisches Extrem darstellt, liegt die Vermutung nahe, dass nur eine Gehirnhälfte im Übermaß belastet wird bzw. die gegenüberliegende nicht ausreichend neuronal entwickelt ist. Welche Seite dies ist, beantwortet die klassische Psychologie. Dort wird beschrieben, dass insbesondere die hochsensiblen Themen wie z.B. Intuition, Kreativität, Spiritualität sowie das bildhafte Denken der rechten Gehirnhemisphäre zugeordnet werden. Es liegt also auf der Hand, dass Hochsensible im Übermaß diese rechte Seite in ihrem Alltag einsetzen.
Man könnte auch sagen, dass Hochsensible in der Hauptsache typische „Empfänger“ für Umwelt- und Umfeldinformationen sind. Sie unterliegen also dem Risiko, zu einseitig ihr Gehirn mit zu großen Datenmengen zu überfluten, ohne dabei die Instrumente der linken Gehirnhälfte zur Entlastung nutzen zu können. Es kommt praktisch zu einer Art Datenstau, da die noch schlummernden Fähigkeiten wie beispielsweise Aktivität, Rationalität, Analyse, Sprache und Vernunft noch nicht ausreichend auf diese gewaltige Dominanz der rechten Gehirnhälfte vorbereitet sind.
Hochsensible laufen Gefahr, ein Überlastungssyndrom zu entwickeln
Hochsensible benötigen demzufolge Zeit, um diesen Trainingsrückstand der linken Gehirnhälfte aufholen zu können. In der Regel schaffen es die meisten bereits in ihrer ersten Lebenshälfte, diese notwendigen Schritte der Persönlichkeitsentwicklung zu meistern. Bis dahin heißt es, Abgrenzung zu erlernen und vor allem Rationalität und Aktivität in das Leben zu integrieren.
Je länger diese Schritte zur neuronalen Entwicklung der linken Gehirnhälfte nicht getan werden, umso größer ist die Gefahr, dass die anfängliche Einseitigkeit der Gehirnaktivitäten nicht überwunden wird. Umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Überlastungssyndrom entsteht und das Nervensystem seine Leistungsfähigkeit verliert. Soweit, so gut.
Nur jeder zehnte ist tatsächlich hochsensibel trotz gleicher Probleme
Jedoch leben wir in einer Zeit, in der die Zahl von Hochsensiblen scheinbar exorbitant zunimmt. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass alle Betroffenen tatsächlich hochsensibel sind. Nahezu alle Experten stimmen der amerikanischen Pionierin für Hochsensibilität Dr. Elaine N. Aron zu, wonach Hochsensibilität eher selten anzutreffen ist. Nur etwa jeder zehnte könnte demnach hochsensibel sein.
Da zudem der Großteil der Hochsensiblen ihre psychische Einseitigkeit im Laufe ihres Lebens bravourös überwindet, kann also die Hochsensibilität allein nicht dafür herhalten, die zahlreichen Burn-outs oder Lebensdramen zu erklären.
Auch ich muss in meiner täglichen Coachingarbeit feststellen, dass die wenigsten Ratsuchenden, die sich als HSP (Hochsensible Personen) bezeichnen, tatsächlich welche sind. Dennoch ist es im höchsten Maße erstaunlich, dass sie unten den gleichen typischen Symptomen und Lebensverläufen leiden wie Hochsensible. Es stellt sich also die Frage, wie es dazu kommt, dass eindeutig Normalsensible von den gleichen Alltagsproblemen berichten wie Hochsensible?
Normalsensible verarbeiten den Daten-Over-Flow im Gehirn anders
Die Antwort liegt wahrscheinlich darin, dass es unerheblich ist, was die Ursachen sind, warum ein Nervensystem überlastet ist. Während es bei Hochsensiblen zur Überreizung der rechten Gehirnhälfte (zu viel Intuition, 6. Sinn, Ahnungen, Spiritualität, Bilder, etc.) kommt, führt der umgekehrte Fall (zu viel Handlung, Ratio, Analyse, Kontrolle, etc.) augenscheinlich zum gleichen Effekt.
Das Leben solcher Normalsensiblen fühlt sich subjektiv an, als würde alles, was sie tun oder nicht tun, mehr oder weniger ins Leid führen. Sie sind aktiv, analysieren, wägen ab, sind vernünftig, kämpfen und versuchen, ihr Leben zu kontrollieren – dennoch ohne jeglichen inneren Frieden zu finden. Was nicht weiter erstaunlich ist, schließlich ist es unsere Intuition („Innere Stimme“), also unsere rechte Gehirnhälfte, die uns den für uns passenden Weg aufzeigen kann.
Werden diese neuronalen Regionen jedoch vernachlässigt, das heißt wenig trainiert beziehungsweise in Anspruch genommen, ist eine „Innere Stimme“, die Halt, Orientierung und Lebensrichtung vorgeben kann, niemals zu hören. So leidet so mancher Normalsensibler ebenso an dem beschriebenen Daten-Over-Flow im Gehirn, allerdings nicht in der rechten Gehirnhemisphäre wie bei Hochsensiblen, sondern in der linken.
Das heißt, um die Epidemie der Überlastungssyndrome bzw. Lebensdramen erklären zu können, kann es nur eine Antwort geben: Es muss mittlerweile in unserer Gesellschaft eine große Zahl von Normalsensiblen existieren, die ihre linke Gehirnhälfte im Übermaß beansprucht (Aktivität), aber gleichzeitig die Nutzung der rechten völlig außer Acht lässt (Intuition).
Hochsensible in zwei Kategorien teilen
Sicher spielt hier der heutige Einfluss der Massenmedien eine entscheidende Rolle, die uns täglich mit Sehnsüchten bombardieren, die wir nicht haben. Hinzu kommt die zunehmende Verwissenschaftlichung des menschlichen Daseins, wonach das Vorhandensein einer Intuition, als Sprachrohr der Seele, bestritten wird. Unerheblich davon, was die Ursachen sind: Die zunehmende Anzahl von Normalsensiblen, die typische hochsensible Symptome entwickelt haben, ist mehr als auffällig.
Diese Entwicklung zwingt mich mittlerweile, Hochsensibilität in zwei Kategorien zu unterteilen. Hochsensible, die als solche geboren wurden und Normalsensible, die sich zu Hochsensiblen entwickelt haben. Daraus ergeben sich völlig konträre Beratungssituationen: Während „Angeborene Hochsensible“ ihre ungewöhnlich ausgeprägte Spiritualität und Intuition auf keinen Fall in ein weiteres Extrem treiben dürfen, sondern vielmehr Freude an Handlung und Einsicht zu erlernen haben, benötigen „Erworbene Hochsensible“ genau das Gegenteil.
Sie brauchen mehr spirituelle Techniken und müssen unbedingt ihren Drang, zu rational zu agieren, zügeln. Das heißt, die einen haben zu erlernen, sich mehr auf das Außen zu konzentrieren (Senden) und die andere Fraktion („Erworbene Hochsensible“) sollte sich mehr auf das Innere fokussieren (Empfangen).
Geborener oder erworbener Hochsensibler?
Möchten infolgedessen Coaches, Therapeuten und Seelsorger Ratsuchenden helfen, die über hochsensible Symptome leiden, ist es im ersten Schritt elementar wichtig zu erkennen, ob der Betroffene als Hochsensibler geboren wurde oder ob er im Laufe seines Lebens hochsensibel geworden ist. Zudem drängen sich weitere Fragen auf:
- Treten Extreme der nervlichen Überbelastung auf, weil zu viele oder zu wenige Umweltreize empfangen werden?
- Leidet der Betroffene unter einem „Empfänger“-Syndrom oder unter einem „Sender“-Syndrom?
Nur wenn beide Gehirnhemisphären einen identischen Trainingslevel aufweisen, können Intuition (weibliches Prinzip) und Aktivität (männliches Prinzip) Hand in Hand gehen. Nur dann kann die goldene Mitte erreicht, das heißt die elementare Voraussetzung geschaffen werden, um das zu erreichen, wonach sich alle Menschen sehnen: Die pure Lust am Leben.
Was denkst du über die Kategorisierung in geborene und erworbene Hochsensibilität?