Je unruhiger, unberechenbarer und komplexer die Welt wird, desto ausgeprägter ist die menschliche Sehnsucht nach Ruhepolen. Ordnung ist einer der wenigen Begriffe, der Innen- und Außenwelt, Konkretes und Abstraktes, Denken und Handeln verbindet. Ordnung ist das Prinzip, das uns dabei hilft, zum Wesen der Nachhaltigkeit vorzudringen und das Thema ganzheitlich begreifbar zu machen.
Das Wort Ordnung ist über die Architektur ins moderne Denken gekommen, wo es ursprünglich für ein Ganzes stand: Alle Teile passten zueinander, so dass keines ersetzt werden konnte, ohne die Harmonie zu zerstören.
In Krisenzeiten haben Menschen häufig das Gefühl, im Chaos einer Welt zu versinken, die aus den Fugen geraten ist. Sie finden nur noch Stückwerk, aber kein Ganzes mehr. All das hat auch Einfluss auf ihr Denken, das sich nicht mehr sammeln kann, weil es den Überblick verloren hat.
Innehalten schafft Struktur im Leben
In der letzten Zeit häufen sich Stimmen, die für eine neue Orientierung des Lebens im Denken plädieren, auch wenn eine solche Bewusstheit nicht ständig möglich ist. Aber das braucht es auch nicht, weil auch verschiedene Formen des Innehaltens und Nachdenkens von Zeit zu Zeit genügen.
Dabei hilft heute vielen Menschen die Stoa, die wie ein Kompass in diesen von Katastrophen heimgesuchten Zeiten erscheint. Die moderne Leserschaft findet hier Beständigkeit und Stabilität in einer haltlosen Welt.
Die Philosophie der Stoiker ist aktuell wie nie
Eine Form (forma vitae), die stabil genug ist, um uns nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, gibt dem Leben der Stoiker, der von einer robusten und schützenden Vernunft geleitet ist.
Im 15. Brief an Lucilius schreibt Seneca: „Nicht auf Worten beruht die Philosophie, sondern auf Handlungen“ – sie zeigt, was man tun und lassen muss.“ Erst kürzlich bekannte sich der Unternehmer Erich Sixt im Spiegel-Interview zur Stoa-Lektüre:
Wenn er nicht schlafen kann, greift er zu Marc Aurel. Der altrömische Kaiser spricht dann über Jahrtausende zu ihm. Das schenkt ihm Seelenfrieden und unterstützt ihn darin, Probleme zu versachlichen. Dazu braucht es allerdings ständiges Training, das dazu führt, dass Menschen im Einklang mit sich und der geordneten Welt sind.
Die Stoa bewährt sich gerade als Lebenslehre, „die Menschen in die Lage versetzen soll, in der Begegnung mit den Dingen der Welt dem einmal eingeschlagenen Weg zu folgen und – dies ist das Entscheidende – die Ruhe zu bewahren“. Schreibt Ralf Konersmann in seinem Buch „Die Unruhe der Welt“.
Jedem Einzelnen sei es nach Ansicht des Philosophen heute aufgegeben, sich um seiner Ruhe und um der Ruhe des Ganzen willen aus seiner Zugehörigkeit zu diesem Ganzen heraus selbstbestimmt zu „begreifen“.
Glasklar: Putzen als Lebenshaltung und Seelenhygiene
Wo es um Wesenszüge eines unabhängigen analytischen Verstandes geht, ist auch das Nachhaltigkeitsthema von entscheidender Bedeutung, denn auch hier gilt es, sich auf Dinge zu konzentrieren, die man selbst beeinflussen und verändern kann.
Dabei sollte auch Nebensächliches in den Blick genommen werden, denn gerade das, was oft unterschätzt wird, erweist sich am Ende doch als etwas sehr Wesentliches:
Beispielsweise gehört Putzen für viele Menschen in die Kategorie von Nichtereignissen. Es genießt keinen guten Ruf, weil es für Gedankenlosigkeit und Zeitverlust steht. Die Zeit beim Saubermachen könnte doch viel „effizienter” genutzt werden, so ein gängiges Argument.
Ein schlechtes Gewissen ist jedoch keineswegs bei einer solchen Tätigkeit angebracht, denn das Putzen macht uns bewusst, wie wichtig Selbst-Besinnung und Selbst-Bestimmung in einer in Unordnung geratenen Welt ist. Beim Putzen geht es immer auch darum, selbst die Kontrolle über die eigenen Lebensbedingungen zu haben – und zu behalten.
Putzen kann auch achtsam sein: Von Flow bis Meditation
Ein Beispiel dafür, wie das Kleine und das Große, das persönliche Tun und das unternehmerische Handeln ineinandergreifen, sei hier aus unterschiedlichen Blickwinkeln der Nachhaltigkeit zusammengefügt: Claudia Silber gehört zu Deutschlands Gesichtern der Nachhaltigkeit. Hauptberuflich arbeitet sie als Leiterin Unternehmenskommunikation beim Öko-Versandhändler memo AG in Greußenheim bei Würzburg. Sie bezeichnet sich augenzwinkernd als “Wohnungsspießerin”, denn keine Woche vergeht, ohne „zumindest einmal die Wohnung von oben nach unten auf Vordermann zu bringen.”
Putzen ist für sie auch ein Netz aus Routinen, die wiederum eine wichtige Grundlage für zielgerichtete Aufmerksamkeit sind. Der Begriff „Routine” ist eine Verkleinerungsform von Route (einem schmalen Pfad). Beide haben mit Wiederholungen zu tun, die gleichzeitig mit einem Sicherheitsgefühl einhergehen, das viele als Gegenmittel gegen den Stress empfinden.
Eine nur „seelenlose” Routine würde allerdings unsere Aufmerksamkeit nicht mehr binden und einen mechanischen Eindruck machen. Routine und Ritual verschmelzen in diesem Prozess, der auch sehr viel aussagt über die Qualität des Fließens von inneren Prozessen, die für selbstverständlich gehalten werden und körperlich verinnerlicht sind.
Der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi prägte für sie den Begriff „Flow-Erlebnis”. Wer mit der Routine des Putzens umzugehen weiß, verschafft sich auch Zugang zu beschränkten Ressourcen wie Zeit und Optimismus, die geistige Energie in geregelte Bahnen lenkt, Stimmungsschwankungen fernhält und unsere Wahrnehmung schärft.
Wer die Ordnung liebt, gehört meistens auch zu den Skeptikern: Der alte, aus der griechischen Philosophie stammende Begriff Skepsis leitet sich vom griechischen Verb skeptesthai her („umherspähen, suchen, prüfen, genau betrachten”). Ein Skeptiker betrachtet die Dinge sehr genau und hat eine kritische Distanz zu ihnen. Gerade heute braucht es diesen Drang zur Infragestellung, der mit einer genauen und unvoreingenommenen Beobachtung zusammenhängt.
Claudia Silber genießt insgeheim das Gefühl nach dem Putzen, wenn alles sauber ist und frisch riecht: „Sehr viel besser fühle ich mich seit kurzem, als ich gelesen habe, dass Putzen auch eine Art Meditation sein kann und sogar eine der wichtigsten Traditionen der japanischen Kultur ist. Selbstreinigung sozusagen – und das ist es auch für mich. Beim Putzen lasse ich Gedanken kommen und gehen, denke über schwierige Entscheidungen nach und bringe auch innerlich alles in Ordnung. Danach ist dann oft alles glasklar – im wahrsten Sinne des Wortes.”
Kein Schaum: Nachhaltiges Reinigen mit ökologischen Putzmitteln
Wenn Claudia Silber von Selbstreinigung spricht, meint sie nicht nur die buchstäblich reine Innenwelt, sondern auch die äußere Umwelt. Deshalb verwendet sie ausschließlich ökologische Reinigungsmittel auf Basis nachwachsender Rohstoffe: „Mein Staubsauger ist energieeffizient, und sogar meine Müllbeutel aus Recyclingkunststoff tragen den Blauen Engel.”
Diese Aussage von ihr ist eine wichtige Brücke, die zeigt, dass sich an einem Thema wie dem nachhaltigen Reinigen konkret darstellen lässt, wie wir im Kleinen nachhaltig handeln können: Etliche ökologische Reinigungsmittel verzichten auf synthetische Konservierungsmittel, chlorchemische Zusätze und synthetische Duftstoffe. Auch werden viele Bio-Putzmittel, die zudem völlig ökologisch abbaubar sind, aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt.
Die memo AG, ein Versandhandel mit Alltagsprodukten für das Büro und für zu Hause, die gezielt nach ökologischen und sozialen Kriterien ausgewählt sind, verweist in ihrem Nachhaltigkeitsbericht beispielsweise darauf, dass bei der Herstellung der Wasch- und Reinigungsmittel-Serie „Eco Saponine” konsequent auf höchste Verträglichkeit für Mensch und Umwelt geachtet wird:
Alle Inhaltsstoffe sind natürlichen Ursprungs, auf die Verwendung von Palmöl wurde komplett verzichtet. Zusätzlich sind sie vegan, tierversuchsfrei und enthalten keine tierischen Inhaltsstoffe. Die Verpackungen bestehen aus wiederverwertbarem Polyethylen.
Die IMO-zertifizierten Reinigungsmittel “Eco Saponine” basieren auf dem aus europäischer Wildsammlung stammenden Nelkengewächs Seifenkraut, das als nachwachsender Rohstoff als besonders umweltschonende und auch für Allergiker geeignete Alternative zu erdölbasierten Produkten wiederentdeckt wurde.
Kluge Ent-scheidungen: Das Hier und Jetzt genießen
Wer behauptet, dass Putzen eine Last sei, dem legt Claudia Silber ans Herz, einfach den Blickwinkel zu ändern, und auch diese Zeit im „Hier und Jetzt” zu genießen.
Ordnung fühlt sich für sie erleichternd, geerdet und bodenständig an. Das hat für sie ebenso mit Minimalismus zu tun:
„Wenn wir zu viele Dinge (und Menschen) ‚anhäufen’, verlieren wir den Überblick, es wird unordentlich, und wir sind letztlich nicht glücklich. Dabei geht es dann auch wieder um das Thema Konzentration, die uns den Blick auf das Wesentliche richten lässt. Die Konzentration auf die wesentlichen Dinge (und Menschen) im Leben machen uns glücklich, und wir fühlen uns ‚sortiert’, gut aufgehoben. Der Rest kann getrost in den Papierkorb wandern oder besser: in gute Hände weggegeben werden.”
Morgens mag sie ihre Wohnung nicht verlassen, wenn nicht alles an seinem Platz ist. Das gilt auch für das Büro: „Ich kann dann am besten arbeiten, wenn ich nur das aktuelle Projekt auf dem Schreibtisch liegen habe. Es kam daher schon vor, dass ich gefragt wurde, ob ich demnächst Urlaub hätte oder das Unternehmen verlassen würde.”
Innehalten, nachdenken und Raum für Entscheidungen schaffen
Auch mit ihren Gedanken verhält es sich so: „Ich fühle mich schlecht und unruhig, wenn in meinem Oberstübchen ‚Chaos’ herrscht.”
Häufig zieht sie sich dann für einige Stunden zurück, um wieder eine Ordnung im Geist entstehen zu lassen. Danach fällt es ihr leichter, klare Gedanken zu fassen und „Ent-Scheidungen“ zu treffen.
Dieser von ihr angesprochene Aspekt ist vor allem auch im größeren Maßstab vor allem in Krisenzeiten relevant. Denn in einer Krise scheiden sich die Dinge: Danach ist nichts mehr, wie es war. Das griechische Verb krinein bedeutet „trennen” oder „unterscheiden”. Davon abgeleitet ist „Kritik” (kritikē téchnē), die die Kunst der Beurteilung bezeichnet. Sie basiert auf der Fähigkeit, Unterschiede zu erkennen.
Beide Begriffe markieren Grenzen: In der Kritik werden Unterscheidungen vorgenommen und in der Krise Unterscheidungen getroffen, die heute vonnöten sind.
Sich auch mit diesen Aspekten des (Nach)Denkens intensiver zu beschäftigen, scheint momentan dringend notwendig, weil Nachhaltigkeit im Großen und im Kleinen auch Abgrenzungen braucht, ohne die es keine unterschiedlichen Positionen geben würde – wir brauchen sie auch als innere Verortungen, die uns Halt und Haltung geben, wenn die Welt wieder einmal aus den Fugen und in Unordnung gerät.
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