Der Darm ist unser größtes inneres Organ, das jedoch – leider – über lange Zeit völlig außer Acht und sträflich vernachlässigt wurde. In den letzten Jahren hat sich das zum Glück geändert. Dr. med. Adrian Schulte, der sich seit 20 Jahren mit der Darmgesundheit beschäftigt, hat nun ein Buch geschrieben, in dem er sein gesammeltes Wissen zum Darm an uns weitergibt. Und genau das solltest du lesen.
Über kaum ein Thema wird heutzutage so viel diskutiert, wie über die richtige Ernährung. Verschiedene Ernährungsformen schießen wie Pilze aus dem Boden und in dem Dschungel aus unterschiedlichen und teils sogar widersprüchlichen Empfehlungen findet Ottonormalverbraucher sich kaum noch zurecht. Ich habe mich daher gefragt: Sollte ich wirklich noch ein Buch lesen, das mich unter Umständen noch weiter verwirrt? Letztlich habe ich es getan – zum Glück, denn ich habe einige nützliche Tipps für den Alltag mitgenommen.
Einen gesunden Darm gibt es nur durch gute Verdauung – und umgekehrt
Am Anfang war die Scheiße. Und zwar am Anfang des Buches von Dr. Schulte. Das ist gewöhnungsbedürftig, immerhin ist Verdauung kein allgemein übliches Tischgesprächsthema.
Gleichzeitig ist es aber auch sehr erfrischend, denn es macht direkt deutlich, dass dieses Buch den Fokus nicht wie viele Ratgeber zum Thema Ernährung auf die „Abnehm-Schiene“ legt. Es geht nicht darum, dass wir immer dicker werden, weil wir zu viel Fast Food essen. Es geht darum, was mit unserem Darm passiert, wenn wir das tun und welche Auswirkungen das auf unsere gesamte Gesundheit hat. Und das sieht man nun mal an der Scheiße.
Leider kümmert sich um diese so gut wie niemand, wie Dr. Schulte bedauernd feststellt. Den meisten Menschen reiche es, wenn sie täglichen Stuhlgang haben – auf Geruch, Farbe oder Konsistenz achten sie hingegen nicht. Doch genau diese Merkmale könnten uns eigentlich zeigen, ob unser Darm gesund oder krank ist. Und über den Vorgang der Verdauung weiß erst recht niemand so wirklich Bescheid. Was genau macht der Magen und wofür ist der Dünndarm zuständig? Wo entstehen überhaupt Blähungen und wieso reagieren mittlerweile so viele Menschen allergisch auf Lebensmittelbestandteile wie Lactose oder Gluten?
Gutes Kauen ist sehr wichtig für eine reibungslose Verdauung
Dr. Schulte gibt die Antworten auf all diese Fragen direkt zu Anfang des Buches, inklusive einiger Ratschläge, wie man der Verdauung auf die Sprünge helfen kann. Der wichtigste und gleichzeitig einfachste Tipp: Gut kauen. Klingt banal, ist es aber nicht, weil kaum jemand sich heutzutage noch daran hält, immerhin haben wir es ständig eilig.
Ich habe es ausprobiert und siehe da: Wenn man ausreichend kaut, rutscht der Speisebrei tatsächlich ohne besondere Anstrengung in den Schlund. Ein aktives Schlucken ist überflüssig. Das wirkt für die Verdauung wahre Wunder, denn sämtliche Verdauungsorgane werden entlastet. Dr. Schulte geht in seinem Buch genau ins Detail, was bei gutem oder schlechten Kauen im Verdauungstrakt genau passiert. Ein wirklich erhellendes Kapitel.
Darmkrankheiten und Unverträglichkeiten bei Lactose, Gluten oder Fructose
Immer mehr Menschen leiden an Unverträglichkeiten wie Zöliakie oder einer Fructoseintoleranz. Milch, Obst oder Brot verursachen bei ihnen Blähungen oder Durchfall, ihr Darm spielt nicht mehr mit. Dr. Schulte erklärt leicht verständlich, was genau im Verdauungstrakt passiert, wenn Betroffene die problematischen Stoffe zu sich nehmen. Und er zeigt, dass es eigentlich gar kein Wunder ist, dass so mancher Darm allergisch auf etwa Milchprodukte reagiert, immerhin ist es eine Mutation, die einigen von uns die Verdauung von Lactose überhaupt erlaubt.
Die industrielle Verarbeitung der Milch gibt unserem größten Verdauungsorgan dann den Rest: Zwar wird die Milch dadurch erst einmal verträglicher – man bekommt keinen Durchfall mehr, solange man nicht an einer Lactoseunverträglichkeit leidet – dafür kann die industriell verarbeitete Milch jedoch dazu führen, dass der Körper andere Allergien entwickelt. Zumindest wenn man zu viel davon zu sich nimmt.
Eine ähnliche wissenschaftliche Erläuterung gibt Dr. Schulte auch für Gluten und Fructose und macht so anschaulich, wieso es sich für alle Menschen lohnt, den Konsum von Brot, Milch und Obst im Auge zu behalten. Wichtig: Er betont jedoch, dass dies kein Grund sei, benannte Produkte zu verteufeln und ganz vom Speiseplan zu streichen. Er empfiehlt: Maß halten. Ein guter Ratschlag, schließlich entscheidet bei jedem Stoff nur die Dosis, ob sie Gift ist oder nicht.
So beeinflusst der Darm den ganzen Körper
Damit natürlich nicht genug. Denn auch wenn wir wissen, dass manche Dinge unserem Darm eventuell schaden könnte – na und? Das mag sich manch einer denken, dem das Thema „Gesunde Ernährung“ schon zu den Ohren herauskommt. Dr. Schulte gibt jedoch gute Gründe, unseren Darm ernst zu nehmen – ganz jenseits von den üblichen Verdächtigen Herzinfarkt, Schlaganfall und Co., mit denen uns sonst nahe gelegt wird, anders zu essen.
Er zeigt zum Beispiel den Zusammenhang von einer funktionierenden Verdauung mit Emotionen. Und dann geht er auf gesundheitliche Probleme ein, die wir erstmal so gar nicht mit der Ernährung und Verdauung verbinden.
Herzrhythmusstörungen, Atembeschwerden und Rückenschmerzen durch einen kranken Darm
Eine schlechte Verdauung führt nach Dr. Schulte demnach zu Gasen, die den gesamten Bauchraum aufblähen – und das hat Auswirkungen auf alle anderen inneren Organe. Die Lunge leidet, weil sie sich nicht mehr vollständig entfalten kann. Das Herz leidet, weil der Magen drückt. So können selbst bei einem gesunden Herzen Beschwerden wie Herzrhythmusstörungen auftreten. Und sogar das Volksleiden schlechthin, die Rückenschmerzen, wird von einer ungesunden Verdauung und dem daraus resultierenden größeren Bauch beeinflusst.
Diese Beschwerden sind um einiges greifbarer als Herzinfarkt oder Schlaganfall, die vielen von uns immer so weit weg erscheinen, ein Problem der Altersgruppe ü60. Rückenschmerzen hingegen haben wir doch irgendwie alle. Dr. Schulte gibt auch noch gleich drei Beispiele an die Hand von Menschen wie dir und mir, an denen man gut sehen kann, wie man es falsch – oder richtig – macht.
10 Tage Darmkur für eine gute Verdauung und einen gesunden Verdauungsapparat
Natürlich belässt Dr. Schulte es nicht nur bei der Theorie und einigen nützlichen Tipps, er stellt auch ein nach F.X. Mayr konzipiertes Darmprogramm vor, mit dem wir unser geschwächtes Verdauungsorgan wieder auf Vordermann bringen können. Es gibt eine Vorbereitungszeit, viele Hinweise für die 10 Tage und eine Nachbereitungszeit. Für die 10 Tage Kur gibt er viele Empfehlungen, welche Lebensmittel gemieden werden sollten und was wir stattdessen zu uns nehmen dürfen, um unserem Darm eine Ruhepause zu gönnen.
Dazu gehören zum Beispiel auch Bittersalz und Basenpulver, die den Darm einmal ordentlich durchspülen sollen. Oder ein Kautraining, mit dem wir wieder lernen, unsere Nahrung im Mund vernünftig vorzubereiten. Interessant: Die sonst so gesunden Ballaststoffe stehen während der Kur auf der No-Go-Liste, denn sie machen dem Darm zu viel Arbeit. Er soll sich jedoch erholen.
Zum Schluss gibt Dr. Schulte dem Leser noch nützliche Informationen zu verschiedenen Lebensmitteln und Inhaltsstoffen an die Hand, die es uns erleichtern sollen, im Alltag eine für den Darm gesunde Ernährung zu wählen. Dort finden sich auch kleine Abstecher zur vegetarischen und veganen Ernährung, was so einige Leser interessieren dürfte.
Fazit: Wer sollte „Alles Scheiße?! Wenn der Darm zum Problem wird“ lesen?
Alle, die sich vor dem Verdauungsvorgang nicht per se ekeln. Ist gar nicht nötig. Das Buch ist leicht verständlich und zeigt auch dem Laien, wie komplex der Vorgang der Verdauung ist. Weil es im Fokus um diesen Prozess geht, kann sich jeder Leser anhand seiner Ernährungsvorlieben – ob Clean Eating, vegan oder Paleo – ein Bild davon machen, wie er seinen Darm unterstützen kann – und das einfach und unkompliziert. So kann jeder etwas mitnehmen – und vielleicht sogar ganz nebenbei auch noch ein wenig abnehmen.