Der Kopfstand (Sirsasana) ist eine der schwierigsten Yogaübungen. Viele Yogaschüler betrachten Sirsasana mit gemischten Gefühlen: Es braucht viel Mut, um sich auf den Kopf zu stellen. Kopfstand lernen ist jedoch nicht so schwer wie es aussieht. In diesen 10 Schritten führt dich Yogalehrerin Melanie Lotz langsam an den Kopfstand heran.
Der Kopfstand heißt nicht umsonst “Königsasana”: Majestätisch wirkt die Balance auf der “Krone des Kopfes” in Sirsana, wie der Kopfstand auf Sanskrit heißt. Auch wenn die meisten Yogis ihre Hände oder Unterarme unterstützend in Shalamba Sirsana dem Kopf zur Seite stellen: Ein bisschen gefährlich wirkt es doch immer, wenn der gesamte Körper und die Beine gerade aufgerichtet wie eine Kerze über dem Kopf schweben.
Kopfstand Wirkung: Kraft und Balance von Kopf bis Fuß
Doch der Kopfstand sieht nicht nur beeindruckend aus, er kann auch was: Sirsasana trainiert und stärkt den Muskelapparat des gesamten Körpers. Er gehört zu den Yoga Umkehrhaltungen, in denen sich mindestens das Herz, meist auch Becken und Beine oberhalb des Kopfes befinden, daher hilft er gegen Venenstau und beugt Krampfadern vor. Er regt die Durchblutung an: Die vermehrte Zufuhr von Sauerstoff und Nährstoffen versorgt optimal Gehirn, Muskeln, Knochen und das gesamte Gewebe.
Die Konzentration und Aufnahmefähigkeit wird gesteigert. Der Perspektivenwechsel verschafft eine ganz neue Sicht auf die Welt und fördert kreatives Denken: Eingefahrene Denkmuster werden aufgelöst und durch neue Ideen, Wege und Lösungen ersetzt. Außerdem versetzt uns das Balancieren auf dem Kopf einfach einen Glückskick: Negatives Denken, Ängste und Sorgen haben keine Chance. Nach dem Üben von Umkehrhaltungen sind wir meist voller Energie und guter Laune.
- Verletzungen/Entzündungen des Rückens, besonders der Halswirbelsäule und der Schultern, sowie des Schädels, der Augen oder Ohren
- Bandscheibenvorfälle
- Herzkrankheiten
- Bluthochdruck
- besondere Vorsicht während der Menstruation oder in der Schwangerschaft
Falls eine der Kontraindikationen auf dich zutrifft, frage unbedingt deinen Arzt, welche Yogaübungen für dich geeignet sind und informiere deinen Yogalehrer.
Anleitung Kopfstand: Schritt für Schritt in den Kopfstand
Achtung: Kopfstand üben ist nicht für Anfänger geeignet. Wenn du noch keine oder nur wenig Yoga Erfahrung hast, dann übe nur unter der professionellen Anleitung eines gut ausgebildeten Yogalehrers.
Die folgende Step-by-Step-Anleitung führt Yogis mit Erfahrung an den Kopfstand heran. Wenn du deinen Körper gut kennst und dir zutraust, deine Grenzen frühzeitig wahrzunehmen, dann folge achtsam und konzentriert den beschriebenen Schritten.
Du kannst nach jedem Schritt entweder eine Pause machen oder die Übung in Savasana, der Ruhestellung auf dem Rücken, beenden.
Weniger ist mehr: Lieber jeden Tag einen Teil der vorbereitenden Schritte zum Kopfstand üben, bis der letzte Schritt in den Kopfstand sicher ist und dir leicht fällt – als nur ein Mal gleich alles zu versuchen und danach aufzugeben. Löse wirklich nur dann deine Füße vom Boden, wenn du dich hundert Prozent sicher fühlst, dass du dein Gewicht auf den Unterarmen tragen kannst und du keinen Druck auf deine Halswirbelsäule ausübst.
Kopfstand Vorbereitung: Sonnengrüße bringen deine Körpersäfte in Schwung
Bevor du mit der Kopfstand Übung beginnst, solltest du dich mit mehreren Runden langsam und konzentriert ausgeführter Sonnengrüßen aufwärmen. Empfehlenswert ist außerdem die Mobilisierung und Dehnung von Schultern und Nacken (Schultern und Arme achtsam kreisen, Kopf sanft nach rechts/links drehen, Kinn in Richtung Brust senken, Ohren abwechselnd in Richtung Schultern senken) sowie einige Bauchmuskelübungen, um die Kraft deiner Mitte zu aktivieren.
1) Kopfstand Vorübung: Kindeshaltung – Kontakt zum sicheren Halt der Erde
Knie dich an das Ende deiner Yogamatte und lege die Stirn auf den Boden. Deine Unterschenkel und Füße liegen parallel nebeneinander, dein Gesäß ruht auf den Fersen, deine Stirn liegt auf dem Boden vor den Knien.
Strecke deine Arme lang nach vorne aus, beuge dann deine Ellenbogen und führe die Handinnenflächen über dem Hinterkopf in Namasté (Gebetshaltung) zusammen. Nimm hier einige tiefe Atemzüge und fühle, wie du bei jedem Einatmen ein wenig vom Boden wegschwebst und beim Ausatmen immer mehr in Richtung Boden schmilzt: Deine Ellbogen rutschen so immer weiter nach vorne und deine Achseln öffnen sich. Die Erde gibt dir Halt und Sicherheit.
Vertraue darauf, dass der Boden dich trägt und gib immer mehr von deinem Gewicht nach unten ab. Das ist das Geheimnis der Aufrichtung entgegen der Schwerkraft: Je mehr Körpergewicht wir nach unten abgeben können, desto leichter fällt uns die Aufrichtung vom Boden weg.
2) Kopfstand Aufbau: Der Abstand der Ellbogen bestimmt die Stabilität
Hebe dein Becken über deine Knie und deine Schultern über deine Ellbogen: Vierfußstand auf den Unterarmen.
Sende energetisch deine Ellbogen zueinander, ohne sie tatsächlich zu bewegen. Ziehe jetzt deine Unterarme energetisch nach hinten und lasse gleichzeitig deinen Oberkopf nach vorne streben: So wird der Nacken schön lang und dein Schultergürtel weit und kraftvoll. Widerstehe der Versuchung, zwischen den Schulterblättern einzusinken oder nach vorne zu schauen und so deinen Hals zu beugen. Lasse lieber dein Kinn etwas Richtung Brust sinken und hebe Wirbelsäule, Nacken und Hinterkopf weg vom Boden.
Extra-Tipp: Starkes Core! Einatmend stellst du dir vor, dass dein Rücken sich nach hinten und vorne verlängert. Ausatmend ziehst du den Bauchnabel nach innen zur Wirbelsäule und nach oben unter den Brustkorb. Wenn du so die gesamte Bauchdecke vom Schambein bis zum Brustbein zur Wirbelsäule hebst, geben deine inneren Organe der Wirbelsäule Halt und Stabilität: So unterstützen wir sie optimal im Kopfstand!
3) Kopfstand Basis: Ein Dreieck aus Unterarmen und gefalteten Händen schützt die Halswirbelsäule
Die Ellbogen sollten im Kopfstand stabil und sicher unter deinen Schultergelenken stehen. Wenn du dir nicht sicher bist, ob du den richtigen Abstand der Ellbogen zueinander gefunden hast, dann umfasse mit den Händen jeweils den gegenüberliegenden Unterarm: Das ist der richtige Abstand.
Die Ellbogen möchten gerne auseinander rutschen, doch du ziehst sie kraftvoll zueinander, so dass sie schulterbreit auf dem Boden aufliegen und sich auf gar keinen Fall mehr voneinander weg bewegen. Dieser Zug zur Mitte konzentriert deine Kraft und gibt dir in der Balance auf dem Kopf Halt und Stabilität.
Jetzt faltest du deine Hände: Leg den rechten Daumen auf den linken Daumen und den linken kleinen Finger unter den rechten kleinen Finger. Wenn du von oben auf deine gefalteten Hände schaust, siehst du nur neun Finger: Der linke kleine Finger ist unter dem rechten Finger “versteckt”.
Leg die so gefalteten Hände auf dem Boden ab: Deine Unterarme bilden von den Ellbogen bis zu den Händen ein Dreieck: Das ist deine Basis. Auf den drei Eckpunkten dieses Dreiecks wirst du im Kopfstand dein Gewicht verteilen und so kaum Gewicht auf Nacken und Kopf legen.
4) Katze-Kuh-Variation: Mobilisierung und Kontakt zur Core-Kraft
Beim Einatmen hebst du dein Herz zwischen die Oberarme nach vorne und oben und streckst gleichzeitig dein Gesäß nach hinten und oben: Die “Kuh” mit durchgebogenem Rücken.
Beim Ausatmen saugst du deinen Bauchnabel nach innen zur Wirbelsäule und nach oben unter den Brustkorb. Dabei rundet sich der Rücken aus der Mitte heraus: Dein Gesäß ziehst du unter dich, die Stirn sendest du in Richtung Bauchnabel: Im “Katzenbuckel” ist deine Wirbelsäule nach oben gerundet.
Wiederhole “Katze-Kuh” für einige Atemzüge bis du das Gefühl hast, dass die Bewegung geschmeidig, weich und leicht ist, die Schultern beweglich sind und du die Kraft in deiner Bauchmitte spürst.
5) Kopfstand Halswirbelsäule: Langgestreckte Nackenmuskulatur
Komme ein weiteres Mal in den “Katzenbuckel”: Saug Bauchnabel und die Rippen unterhalb deiner Brust zueinander und nach innen zur Wirbelsäule. Du presst deine gesamte Bauchdecke an die Wirbelsäule und gibst ihr so von vorne Stabilität und Halt.
Setz dann die Krone deines Kopfes auf den Boden vor deinen Händen auf und schmiege deinen Hinterkopf an die Handinnenflächen. Du kannst gerne den Oberkopf einige Male sanft nach vorne und hinten rollen, um Kopf und Nacken an die umgekehrte Position zu gewöhnen.
Ruhe dann auf der Krone des Kopfes: Wenn du die Fläche im hinteren Drittel deines Oberkopfes gefunden hast, ist dein Nacken lang gestreckt und dein Kinn in Richtung Brustbein geneigt: Für die meisten fühlt es sich ein wenig nach “Doppelkinn” an.
6) Kopfstand Variante I: Anfänger lassen die Füße entspannt auf dem Boden
Setz nun deine Zehen unter und hebe dein Gesäß nach hinten und oben in eine kurze Variante des Herabschauenden Hundes. Wandere beide Füße achtsam Schritt für Schritt so weit wie möglich in Richtung Kopf und sende dein Becken dabei über den Kopf nach vorne und oben: Deine Oberkörper richtet sich auf.
Spätestens wenn dein Becken über dem Dreieck aus gefalteten Händen und Unterarmen schwebt, hältst du die Füße an: Du stehst jetzt schon auf dem Kopf!
7) Kopfstand Druck auf Halswirbelsäule: So entlastet du den Nacken
Schieb jetzt deine Unterarme, Ellbogen und Hände geradeaus nach unten, als ob du sie in den Boden hineindrücken möchtest: Du wirst bemerken, dass sich dein Kopf vom Boden weg hebt.
Sende weiterhin dein Kinn in Richtung Brustbein für einen langen Nacken. Setze die Krone des Kopfes zurück auf die gleiche Stelle wie zuvor. Diese Vorübung zum Kopfstand gibt dir die Sicherheit, dass du dir nicht den “Hals brechen” wirst, da die Basis deines Stands deine Arme und Schultern sind.
Wiederhole einige Male das Heben und Senken des Kopfes aus der Kraft deiner Arme und Schultern und lasse die Bewegung immer kleiner werden, bis du diese angenehme und stabile Mitte gefunden hast zwischen extrem viel und extrem wenig Unterstützung durch die Arme. Dein Kopf berührt den Boden, doch eher wie ein Stützrad, das nur für die Balance da ist und selbst kaum Gewicht trägt.
Vielleicht genügt dir das heute als Kopfstand Übung, dann wanderst du deine Füße wieder etwas nach hinten, beugst die Knie zum Boden und senkst das Gesäß auf die Fersen. Roll die Stirn zur Erde und atme in der Kindeshaltung tief ein und aus. Wenn du hier eine unangenehme Enge im Nacken spürst, dann richte den Oberkörper langsam und Wirbel für Wirbel nach oben auf und nimm einige tiefe Atemzüge im Fersensitz. Du kannst mögliche Spannung aus dem Nacken entlassen, indem du deinen Kopf im Rythmus deines Atems langsam und sanft rotierst: Schau ausatmend abwechselnd nach rechts / links und einatmend zur Mitte. Du kannst deine Kopfstand Praxis jetzt gerne wiederholen, indem du wieder bei Schritt 1) beginnst. Oder du legst dich auf deinen Rücken, legst deine Hände mit den Innenflächen nach oben zeigend neben das Becken und lässt die Zehen auseinander sinken: In Savasana, der “Totenstellung”, wirkt deine Praxis nach und setzt sich in Körper und Geist ab. Schenke nun wieder deinem Becken Aufmerksamkeit: Roll deinen Oberkörper und dein Becken noch etwas mehr in Richtung Hände: Durch die winzige Gewichtsverlagerung nach vorne (die Hände liegen “vorne”, die Füße stehen “hinten”) und oben, lösen sich die Füße ganz leicht vom Boden ab. Beuge beide Knie entweder nacheinander oder gleichzeitig zu deiner Brust und sende die Fersen in Richtung Gesäß: Oberkörper und Beine bilden jetzt eine Art “Kindeshaltung auf dem Kopf”. Vorübung: Du kannst auch gerne erst mal einen Fuß als Stütze auf dem Boden lassen und den anderen Fuß zum Gesäß heben: Die “halbe Kindeshaltung” auf dem Kopf ist eine prima Vor-Übung, um deinen Körper mit Geduld und Achtsamkeit an das Balancieren auf Unterarmen und Kopf zu gewöhnen. Du kannst im Anschluß beide Füße zurück zum Boden führen, die Knie auf die Erde aufsetzen und dein Gesäß zu den Fersen führen: In der Kindshaltung auf dem Boden nimmst du einige tiefe Atmezüge zur Entspannung. Wenn du weitergehen möchtest, dann winkle die Füße an und schiebe nacheinander deine Fußsohlen nach oben, als ob du die Zimmerdecke oder den Himmel von dir wegdrücken wolltest. Gleichermaßen schieben deine Unterarme den Boden von dir weg und so dehnst du dich zwischen Erde und Himmel aus. Achte wirklich darauf, dass deine Unterarme und Schultern das meiste Gewicht tragen: Kopf und Nacken sollten zu keinem Zeitpunkt unangenehm belastet werden. Nimm hier mindestens drei tiefe und ruhige Atemzüge und erhöhe die Anzahl der Atemzüge mit zunehmender Sicherheit im Kopfstand auf 5, dann auf 10, dann auf 20… Empfohlen werden im Iyengar Yoga mindestens eine Minute, für Fortgeschritten Übende drei Minuten im Kopfstand, damit sich die Wirkung auf allen Ebenen des Körpers, des Geistes und des Energiekörpers entfalten kann. Beuge dann langsam und kontrolliert mit dem Ausatmen wieder deine Knie zur Brust, gerne ein Knie nach dem anderen. Strecke nacheinander deine Beine in Richtung Erde und lasse die Füße sanft auf den Fußballen aufkommen. Nimm einige Atemzüge in der Kindeshaltung und beende dann deine Praxis in Savasana.8) Kopfstand Variante II: Kindeshaltung auf dem Kopf
9) Kopfstand Variante III: Shalamba Sirsasana
10) Der sichere Weg zurück zum Boden: Achtsam raus aus dem Kopfstand