Ist der Begriff Scanner-Persönlichkeit wieder ein neues Etikett, das man sich auf die Stirn klebt, um besondere Charaktermerkmale zu beschreiben, nur um zu erklären, wieso man nicht „normal“ funktionieren kann? Nein, vielbegabte Scanner-Persönlichkeiten gibt es schon lange.
Jeder kennt diese Multitalente, Querdenker, Universalisten, die wenig gradlinige Lebensläufe haben und sich dem Mainstream verschließen. Leonardo da Vinci, Aristoteles und Hildegard von Bingen sind alte Vertreter dieser Spezies, aber auch so namhaften Persönlichkeiten wie Clint Eastwood, Richard Branson, Steve Jobs, Barbara Streisand, Peter Ustinov und Selcuk Cara sind vielbegabte Multitalente, die auch abseits ihrer weltweit geschätzten „Hauptarbeit“ als erfolgreiche Allrounder gelten.
Was zeichnet die Scanner-Persönlichkeit aus?
- Chronische Neugierde und ausgeprägte Kreativität
- Tiefe Begeisterung für viele verschiedene Themen
- Die Suche und das Streben nach mehr
- Vielfalt der Begabungen und Interessen
- Hochsensibilität mit vielen Sinnen und ausgeprägte Intuition
- Querdenken und unkonventionelle Problemlösungen
Damit vielbegabte Scanner-Talente ihre Vielfalt glücklich leben können und nicht zum Universaldilettanten werden, müssen sie das entwickeln, was ihnen oftmals wirklich schwer fällt. Sie sind keine Helden in Bezug auf Ausdauer, Geduld, Beharrlichkeit und Selbstdisziplin. Wenn sie jedoch lernen, sich nicht beirren zu lassen und Frustrationstoleranz entwickeln, wird ein gesunder Umgang mit dem Scheitern möglich.
Scanner-Persönlichkeiten brauchen Selbstmanagement und Selbstbewusstsein
Die Herausforderungen, mit denen die Multitalente immer wieder konfrontiert werden, sind die Schwierigkeit, sich zu entscheiden, Probleme mit dem Selbstmanagement, mangelndes Selbstbewusstsein, Unverständnis der Umgebung für Vielfalt oder Anecken mit „Autoritäten“.
Leonardo da Vinci war ein Chaot, ein Rebell, ein Lebenskünstler und ist vielfach gescheitert, so wie andere Scanner-Persönlichkeiten auch. Wer sich jedoch vom Scheitern nicht abhalten lässt und sich selbst treu bleibt, hat die besten Chancen, durch seine Vielfalt ganz besondere Ziele zu erreichen.
Die Gesellschaft verlangt Anpassung
Leicht ist das aber nicht, denn unsere Gesellschaft versucht ständig, den Vielbegabten ein Leben zu diktieren, das sie gar nicht haben wollen. Es ist wie eine Verschwörung des Mittelmaßes, die so unglaublich normal geworden ist. Ein Leben im Mittelmaß ist für einige Menschen ausreichend, denn sie wollen nicht zu viel vom prickelnd lebendigen und herausforderndem Leben haben, aber bitte auch nicht zu wenig. Eben ausreichend. Viele Menschen denken, ihr Leben könne nur normales Mittelmaß sein. Das sei alles, was im Leben geht und zählt.
Multitalente leiden unter Mittelmaß
Eine Scanner-Persönlichkeit, die sich dem Mittelmaß anpasst, lebt aber wie in einem Versteck. Scanner sind begeisterungsfähige, kreative Menschen und haben oft viele Interessen, Projekte und Hobbys und sie sind vielfältig engagiert. Bei ihnen stehen die ungenutzten Golfschläger neben dem Spanisch-Sprachkurs und die Ölfarben neben dem Paket Wolle, aus dem ein Pulli gestrickt werden soll, und so weiter und so weiter.
Vielbegabung ist eine Facette der Hochbegabung
Die Begriffe Vielbegabung oder Multitalent können viele Menschen leichter annehmen als Hochbegabung, denn dieser Begriff führt viele Menschen in die Irre. Das Konstrukt Hochbegabung lässt in der klassische Definition die ausgeprägten Intelligenzformen der Vielbegabten vermissen: Kreative Intelligenz, Intrapersonelle Intelligenz, Interpersonelle Intelligenz, Soziale Intelligenz, Emotionale Intelligenz und mehr.
Vielbegabung ist also nur eine weitere Facette der Hochbegabung. Wer die Tatsache ein Vielbegabter zu sein, annimmt, wird schnell ein viel besseres Verhältnis zu seinen kreativen, innovativen und sprudelnden Ideen und Interessen finden, was ein Durchatmen der Seele bewirkt.
Wundervoll charismatische Zeitgenossen
Vielbegabte Menschen sind nie langweilig, meist geradezu ansteckend begeisterungsfähig, enorm idealistisch, faszinierend kreativ und haben nicht selten große, weite Herzen. Vielbegabte haben eine unbändige Neugier auf eine Vielzahl von Themen, die oft kein Muster dahinter erkennen lassen, und wollen sich am liebsten mit all ihren Ideen sofort und gleichzeitig beschäftigen. Im ersten Moment hört sich das alles wunderbar und problemlos an. Das ist jedoch nicht der Fall.
In der Gesellschaft herrschen andere Erwartungen
In unserer heutigen Erziehung und Kultur lernen wir, dass es nicht gut ist „auf vielen Hochzeiten zu tanzen“ und dass ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen es nicht weit bringen wird. Jeder Mensch soll wissen, was er mit seinem Leben anfangen möchte, und sollte genau dies tun.
Expertentum, Spezialisierung und Geradlinigkeit sind gefragt. Man soll sich festlegen, sich positionieren, spezialisieren, einen Schwerpunkt finden und einen logisch aufgebauten Lebenslauf haben. Viele Projekte gleichzeitig zu verfolgen gilt geradezu als anrüchig und es wird im beruflichen Zusammenhang dann schnell von einem „Bauchladen“ gesprochen. Echten Erfolg könnten nur besondere Spezialisten und richtige Koryphäen auf einem Gebiet erzielen, wird immer wieder behauptet.
Multitalente schämen sich für ihre Unbeständigkeit
Es wird als flatterhaft, wankelmütig und unstet empfunden, wenn jemand ständig neue Interessen hat und sich mit immer wieder mit andersartigen Themen befasst. Die meisten Vielbegabten müssen immer wieder hören, dass sie etwas verkehrt machen und sich ändern müssen. Das führt natürlich dazu, dass diese Multitalente ihre Gaben nicht nur nicht schätzen können, sondern sie denken sogar, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, und schämen sich für ihre scheinbare Unbeständigkeit.
Innovative Mitarbeiter für Unternehmen
Jeder Scanner-Mensch, der lernt, seine Gaben zu akzeptieren und zu veredeln, nicht mehr mit dem Strom schwimmt und das Mittelmaß als Messlatte seines Lebens verlässt, kann für die ganze Gesellschaft ein wertvolles Geschenk sein. In Firmen sind Vielbegabte wichtige Mitarbeiter, die ungewöhnliche Leistungen bringen können, weil sie ungewöhnliche Wege gehen.
Wenn in einem Unternehmen von tausend Mitarbeitern etwa hundert Scanner sind, können diese das System viel weiter voranbringen als lauter Mitläufer. Es ist wichtig, Personalabteilungen so zu trainieren, dass sie einen Scanner, einen Viel- oder Hochbegabten schon am Lebenslauf erkennen.
Wir alle können einmal in uns hören und uns fragen: Kennen wir solche bunten Menschen? Können wir tolerant und offen mit ihrer Vielfalt umgehen? Können wir sie gar schätzen und fördern, damit wir alle von ihnen profitieren können?