Der Bestsellerautor und Coach Thomas Hohensee zeigt gemeinsam mit der Expertin Renate Georgy, die 25 Jahre lang eine eigene Praxis als erfolgreiche Scheidungsanwältin geführt hat, in ihrem Buch „Zufrieden geschieden. So machen Sie das Beste aus Ihrer Trennung“, worauf es ankommt, damit eine Scheidung nicht im Rosenkrieg endet. Mithilfe ihres neuen Buches bietet die Trennung sogar für beide Seiten die Chance, dem eigenen Leben eine positive Wendung zu geben.
Was sind die wesentlichen Ursachen für eine Scheidung?
Negative Kommunikation! Wenn die Stimmung auf Dauer schlecht ist, ziehen es viele vor, sich zu trennen. Anlass kann ein Seitensprung sein, aber für anhaltende Meinungsverschiedenheiten gibt es viele Gründe.
Leider muss man auch sagen, dass trotz aller emanzipatorischen Fortschritte zwischen den Geschlechtern immer noch eine große Anzahl von Männern dazu neigt, die Partnerin dominieren zu wollen. Das sehen sich diese eine Weile mit an, aber dann reicht es.
„Neutralere“ Gründe liegen darin, wenn einer Kinder will, der andere nicht, einer im Ausland leben will, der andere nicht. Die Ehepartner entwickeln sich weiter. Wenn das in völlig verschiedene Richtungen geht, passt es vielleicht irgendwann nicht mehr zusammen.
Last, not least: Manche suchen sich von vornherein den Falschen/die Falsche aus. Und es ist eben nicht egal, wen man heiratet. Auch dann nicht, wenn man sich selbst liebt.
Der Einfluss einer Scheidung auf Kinder
Nehmen Kinder durch eine Scheidung grundsätzlich Schaden?
Das ist wieder so ein aufgebauschtes Medienthema. In den meisten Fällen sind die Kinder durch eine Scheidung NICHT geschädigt. Es wird permanent verschwiegen, dass Kinder vor allem in einer disfunktionalen Familie leiden. Kinder blühen manchmal richtig auf, wenn endlich der Streit zwischen den Erwachsenen ein Ende hat. Aber auch wenn die Eltern nicht mehr streiten, sondern in eine Phase der Eiszeit eingetreten sind, obwohl sie weiter zusammenleben, ist das für die Kinder alles andere als angenehm.
Ob die Kinder durch eine Scheidung Schaden nehmen, hängt weniger von der Trennung ab, als vielmehr vom Verhalten der Eltern davor und danach. Es ist halt bequem, alles auf die Scheidung zu schieben.
Angeblich haben vorrangig Männer bei einer Scheidung den finanziellen Nachteil.
Das ist eine krasse Übertreibung, die vor allem für die Medien interessant ist. Die Fakten bestätigen dieses Vorurteil nicht. Angesichts der Einkommensentwicklung (um nicht zu sagen: Verarmung) in der Bevölkerung sind die meisten Männer überhaupt nicht leistungsfähig. Soll heißen: Ihr Einkommen reicht nicht aus, um die Ex-Partnerin finanziell zu versorgen.
Die Schuldfrage bei der Scheidung
Wie steht es mit Verantwortung und Schuld bei einer Scheidung?
Verantwortung für die Wahl des Lieblingsmenschen ja, Schuld eher nein. Schuld setzt ja Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus (Sorry, wir waren in einem früheren Leben mal JuristInnen). Bewusst sucht sich wohl kaum jemand den Falschen aus, fahrlässig schon eher. Wenn es am Anfang nicht so gut läuft, macht es keinen Sinn, zu heiraten in der Hoffnung, dass sich das schon irgendwie „zurechtläuft“. Ansonsten müsste man hellsichtig sein, um zu wissen, dass man sich nach 20 Jahren nichts mehr zu sagen hat. Aber wer ist das schon.
Welche Rolle spielen die eigenen Gefühle und Bewertungen bei der Verarbeitung der Trennung?
Eine ganz zentrale Rolle. Eine Trennung wirft zwei Arten von Problemen auf: emotionale und praktische. Zu den emotionalen zählen Ärger, Wut, Trauer, Depression, Ängste, Neid, Eifersucht und so weiter. Bei den praktischen geht es um Wohnungssuche, Aufteilung des Vermögens (soweit vorhanden) und der Haushaltsgegenstände, eventuell (Wieder)Aufnahme einer Berufstätigkeit, möglicherweise Umschulung der Kinder, Auskommen mit weniger Geld und vieles mehr. Wer bei einer Scheidung nicht dramatisiert und seine Gefühle im Zaum hält, kann die praktischen Dinge viel leichter regeln und erlebt generell weniger Stress.
Was steckt hinter dem ABC der Gefühle und des Handelns?
In wenigen Sätzen: Man fühlt und handelt so, wie man denkt. Das bedeutet: Nicht die äußeren Ereignisse bestimmen unsere emotionale und verhaltensmäßige Reaktionen, sondern die Art und Weise unseres Denkens ist dafür verantwortlich. ABC heißt in diesem Zusammenhang: A ist das äußere, aktivierende Ereignis. B steht für die Bewertung des Geschehens. C ist die Konsequenz, also die Folge dieser Beurteilung. A führt nicht unmittelbar zu C, wie viele fälschlicherweise glauben. Es ist B, das zu C führt. D – die Disputation oder Diskussion – kann auf B einwirken und E – eine neue, effektive Lebensphilosophie – schaffen. Klingt so kompliziert, wie es ist. Sonst wären wir alle längst die ganze Zeit tiefen entspannt, egal was passiert.
Eine einvernehmliche Scheidung erreichen
Ist eine zufriedene Scheidung durchsetzbar, auch wenn der Partner sich querstellt?
Zufriedenheit erlebt das Individuum. Daher ist es zunächst einmal egal, wie der/die Andere die Scheidung empfindet. Jeder muss – auch emotional – für sich selbst sorgen. Vor einer Heirat glauben viele: Ich mache dich glücklich und du machst mich glücklich. Das funktioniert aber schlecht und führt nur zu emotionaler Abhängigkeit. Umso weniger klappt es im Scheidungsfall. Du machst mich zufrieden und ich mache dich zufrieden? Lieber nicht.
Hilft Gelassenheit immer? Oder sollte man auch an richtiger Stelle konfliktfähig sein?
Ja, immer! Aber auch hier sollte man den mittleren Weg gehen. Man kann auch zu gelassen sein. Niemand sollte sich von seiner PartnerIn bei einer Scheidung über den Tisch ziehen lassen. Insbesondere Frauen geben im Scheidungsverfahren manchmal berechtigte Ansprüche auf, weil sie den Konflikt nicht aushalten. Also weder zu aggressiv noch zu nachgiebig sein. Ratsamer ist, gelassen und selbstsicher regeln, was zu regeln ist.
Ist angesichts Millionen Geschiedener die Ehe überhaupt noch ein ratsames Beziehungsmodell?
Die Zahl der Paare, die zusammenbleiben, oft sogar glücklich, ist größer als die Zahl der Scheidungen. Insofern würde die Statistik sogar für eine Heirat sprechen. Aber wir würden nicht empfehlen, die Entscheidung über eine dauerhafte Verbindung davon abhängig zu machen, was die Zahlen aussagen.
Kann eine Scheidung auch eine Chance sein?
Eine Scheidung muss keine Katastrophe sein, weder für die Eheleute noch für die betroffenen Kinder. Sie kann ein Drama, eine Befreiung oder ein Glücksfall sein. Es kommt darauf an, was die Beteiligten daraus machen. Etliche Paare überstehen die Trennung ohne längerfristige seelische Verletzungen und sind sogar in der Lage, ihrem Leben eine positive Wendung zu geben. Der Schlüssel zu einem “Ich bin zufrieden geschieden!” ist die Fähigkeit, mit Stress und belastenden Emotionen angemessen umzugehen.
Vielen Dank für das Gespräch