Die Industrialisierung der Lebensmittel ist ein Problem und zwar für unsere Gesundheit. Denn nicht Milch oder Fleisch machen uns krank – sondern das, was die Industrie aus ihnen gemacht hat. Diesem Thema widmet sich das Buch “Die Fleischlüge”, aus dem wir einige Original Ausschnitte bei evidero veröffentlichen. Heute: Kapitel 3, “Die Industrialisierung der Milch und ihre Folgen.”
Das Müller-Unternehmen: Der berühmteste Milchkonzern unter der Lupe
Natürlich kann Herr Müller nichts dafür, dass es Frau Witt immer so schlecht ging nach seiner Buttermilch oder dem Joghurt mit der Ecke. Er kennt sie ja gar nicht, und überhaupt denkt er sowieso meist ans Geschäft. Wo ist überhaupt Herr Müller?Das hier ist sein Hauptquartier, ein imposantes Gebäude mit langer Glasfront. Kühe gibt’s keine, es ist schließlich die Firmenzentrale des berühmtesten Milchkonzerns Deutschlands. Sie liegt nur nicht in Deutschland, sondern in Luxemburg, genauer: in der Rue Albert Borschette 2b, L-1246 Luxembourg.
Hier haben viele Firmen ihren Sitz, aber sie möchten darauf nicht groß hinweisen. Es gibt keine Neonreklame, keine Schilder. Auf den berühmtesten Milchkonzern Deutschlands weist nur der Firmenname am Briefkasten hin: »Unternehmensgruppe Theo Müller«.
Im Aufzug steht sogar nur: »UTM«. Erst oben, im dritten Stock, prangt dann, auch nicht sehr groß, das Müller- Logo, das jeder aus dem Supermarkt kennt. Eine Glastür, eine Klingel und eine freundliche, blonde Frau, die öffnet, dann wieder Platz nimmt hinter ihrem Empfangstresen, Thermoskanne neben dem Bildschirm. Sonst ist niemand da. Herr Müller nicht, und sonst eigentlich auch keiner.
Ein Blick in die Büros, den Konferenzraum, die Türen stehen offen: menschenleer alles, bis auf die freundliche Dame am Empfang. Sie sind die einzige Vertreterin der Firma hier? »Ja.« Okay. Schon klar: Das hier ist keine Molkerei, sondern eine Unternehmensgruppe. Die hat es natürlich nicht direkt mit Kühen zu tun, mit Milch, Butter, Käse, sondern eher mit Cashcows, Cashflow, so etwas.
Und dass das menschenleere Hauptquartier in Luxemburg liegt, ist wohl den Vorzügen des Finanzplatzes hier zu verdanken.
Milch – gesund oder schädlich?
Es ist die moderne Form der Milchproduktion, bei der es in erster Linie um die Bilanzen geht, und die hat womöglich doch sehr viel zu tun mit den Leiden von Frau Witt und der Tatsache, dass der Ruf der Milch mittlerweile stark lädiert ist.
Seit Leute wie Herr Müller die Macht über die Milch an sich gerissen haben, häufen sich die Beschwerden. Bisher galt gerade die Milch als besonders gesund. Milch macht starke Knochen. Das weiß jedes Kind. Aber selbst das scheint nicht mehr zu gelten. Schon warnen Mediziner vor den Folgen der Milch. Sie soll zu Übergewicht führen. Pickel machen. Sogar Krebs fördern, jedenfalls manche Arten. Und vieles mehr.
Dabei nährt die Milch den Menschen seit Tausenden von Jahren. Viele Naturvölker, Hirtenvölker, auch die Bauern bei uns, sie lebten gleichsam in Hausgemeinschaft mit ihren Kühen – und von dem, was sie geben. Nie sind sie davon krank geworden. Sonst hätten sie sie ja nicht jahrtausendelang getrunken. Irgendwas muss mit der Milch passiert sein.
Tatsächlich hat die Milch von heute, die es im Supermarkt gibt, kaum noch etwas mit dem zu tun, was der Hirte aus dem Euter zapfte. Es ist die Industrie, die sich zwischen Mensch und Kuh geschoben hat. Sie hat das Getränk von Grund auf verändert, und dazu völlig neue Produkte geschaffen.
Was passiert, wenn man Milch nicht verträgt?
Und jetzt kommen die Beschwerden. Wie bei Frau Witt. Bei ihr hat es lange gedauert, bis sie gemerkt hat, was los ist. Marie-Luise Witt hat eine Praxis für Dentaldesign im vornehmen Städtchen Bad Homburg im Taunus, 18 Kilometer von Frankfurt. Eine schicke Altbauetage im Stadtzentrum, in der Einfahrt parkt ein Jaguar-Cabrio, das ihrem Partner und Lebensgefährten gehört.
Sie trägt ein leichtes Sommerkleid, sie ist blond, hübsch, jung. In der kleinen Teeküche steht eine Espressomaschine, früher hat sie auch immer Cappuccino getrunken, Latte macchiato, damit ist jetzt Schluss. Die Milch steht bei ihr inzwischen auf dem Index. Und nicht nur die: »Jegliche Milchprodukte«, sagt Frau Witt. Auch Käse, Quark, Sahne, selbst Tomaten mit Mozzarella kommen bei ihr nicht mehr auf den Tisch.
Was ist denn eigentlich passiert?
Witt: »Wenn ich Milchprodukte esse, dann kriege ich Krämpfe, Magen-Darm-Probleme. Und richtig Durchfall. Früher war ich auch drei- bis viermal im Jahr krank, müde, manchmal sogar depressiv; mir schwollen die Schleimhäute an, ich bekam Nasennebenhöhlenentzündungen, Erkältungskrankheiten.
Ich hab mich nie richtig gesund gefühlt. Schon in der Pubertät hatte ich häufig Krankheiten, Pfeiffersches Drüsenfieber etwa, und es wurde immer schlimmer. Bis ich vor zwei Jahren eine Kehlkopfdeckelentzündung bekommen habe und im Krankenhaus lag, weil ich daran beinahe erstickt wäre.«
Die Ärzte waren ihr keine große Hilfe bei der Suche nach der Ursache ihrer Beschwerden. Bis sie zu Frau Dr. Petra Bracht kam, die ihre Praxis ganz in der Nähe hat, direkt am Kurpark, in der Kaiser-Friedrich-Promenade, von Ahornbäumen gesäumt, in einer Stadtvilla mit schmiedeeisernen Balkongeländern, in einer Gegend, in der Steuerberater ihre Büros haben, Consultingfirmen, Rechtsanwälte.
Ausschweifender Milchkonsum führt zu Krankheiten
Für Frau Dr. Bracht wie für eine wachsende Zahl von Medizinerkollegen und Wissenschaftlern ist tatsächlich die Milch Ursache zahlreicher Leiden. Bei Allergien und Unverträglichkeiten wie der sogenannten Laktoseintoleranz, an der Marie-Luise Witt leidet, oder bei Neurodermitis.
Milch soll auch eine Rolle spielen bei Bluthochdruck, bei der Zuckerkrankheit, bei Prostata- und Brustkrebs sowie bei Morbus Alzheimer. Vieles ist dabei noch umstritten, aber die Kritik nimmt zu. »Für mich als Ärztin steht fest«, sagt Petra Bracht, »dass wir den ausschweifenden Kuhmilchkonsum viel kritischer hinterfragen sollten.«
Der ausschweifende Milchkonsum: Damit wiederum hat Herr Müller sehr viel zu tun. Schließlich sorgten seine Milchfabriken und vor allem sein legendäres Marketing für stetig wachsenden Konsum.
Milch als Konsumgut, mit dem sich viel Geld verdienen lässt
Theo Müller ist der berühmteste Molkereiunternehmer Deutschlands, ein »echter Hundling«, wie die Lebensmittelzeitung schrieb: »In der Öffentlichkeit hat er das Image eines skrupellosen Kapitalisten.« Einem Greenpeace-Fotografen hatte er »die Kamera höchstpersönlich aus der Hand geschlagen«. Und sogar zwei bewaffneten Entführern sei
»nur die Flucht« geblieben.
Berühmt geworden ist er auch wegen seiner Position in Steuerdingen. Auf der einen Seite jammerte er gern, etwa über Erbschaftssteuern, wie im Nachrichtenmagazin Der Spiegel: »Ich werde enteignet.« Auf der anderen Seite hatte er nichts gegen Steuern – wenn er sie kassieren durfte, in Gestalt von Subventionen: 70 Millionen Euro bekam er für das Molkerei-Unternehmen Sachsenmilch. »Müller-Milch melkt Steuerzahler«, titelte der BUND in einer Studie.
Herrn Müllers Konzern ist natürlich nicht der einzige, der die Milch verwandelt, von einem Kuherzeugnis, das die Menschen seit Jahrtausenden nährt, in ein Profitobjekt – und Risikoprodukt. Das Milchbusiness operiert global. Und der Ausstoß ist gewaltig. Die Europäische Union ist der größte Milcherzeuger weltweit. Produktion: 156 Milliarden Liter. An zweiter Stelle überraschenderweise: das Land der heiligen Kühe, Indien (141 Milliarden Liter). Dann folgen die USA (91 Milliarden Liter).
Platz eins im globalen Ranking der Milchriesen belegt: Nestlé (»Schöller-Eis«, »Mövenpick«). Auf Platz zwei liegt Danone (»Fruchtzwerge«). Die Giganten rücken zusammen: Müller ist in Italien aktiv, in Tschechien, den Niederlanden und Großbritannien. In den USA hat er sich mit Pepsi-Cola verbündet.
Konkurrent Coca-Cola hat auch schon eine Milch herausgebracht, chemisch aufgerüstet, mit mehr Kalzium, noch mehr Proteinen. Nestlé hat sich mit dem neuseeländischen Molkereikonzern Fronterra verbündet. Danone wiederum mit dem chinesischen Milchriesen Mengniu. Parmalat, Tochter des französischen Milchriesen Lactalis, strebt nach Brasilien. Und Arla, der dänische Milchkönig, will sich nach Afrika ausbreiten: Nigeria, Elfenbeinküste, Senegal, Kongo und weitere Länder Ostafrikas.
Diese Folgen hat die Globalisierung für die Milch
Die Globalisierung der Milch: Eigentlich geht das gar nicht. Oder besser: Sie ist wider die Natur. Denn die Milch wird ja sauer. Wer da also im großen Stil Geschäfte machen will, muss die Milch verändern. Und das hat dann auch gesundheitliche Folgen. Denn die Milch ist dann nicht mehr das, was seit Jahrtausenden die Menschheit nährt. Es ist etwas Neues. Auch für den menschlichen Körper.
Er bekommt nun nicht mehr das Naturprodukt aus der Kuh, sondern eher eine Neu-Milch, verändert und passend gemacht für Supermarktkonzerne und globalen Handel. Und dazu eine ganze Palette von Produkten, die völlig neu gestylt werden, mit Chemikalien, Zusätzen. Und er bekommt von allem viel mehr als früher, oder besser: als ihm guttut.
Also: Die Industrialisierung und die Globalisierung des Milch-Business erhöhen die Verzehrsmengen, und sie verändern die Qualität der Waren, die aus dem Kuh-Getränk hergestellt werden. Fruchtzwerge zum Beispiel oder Dany Sahne, oder die ganzen Milchdrinks: Dafür kann ja die Kuh nichts. Das, was die Menschen an »weißer Ware«, wie das in der Fachsprache heißt, zu sich nehmen, hat mit Kuh und Natur immer weniger zu tun.
So viel Milch und Milchprodukte verbrauchen wir
Die Deutschen zum Beispiel konsumieren pro Kopf und Jahr 58 Kilo (56 Liter) Milch (davon 25 Liter Vollmilch), verspeisen dazu aber 37 Kilo andere »Frischmilcherzeugnisse«, also häufig jene Designerprodukte, die in diversen Geschmacksrichtungen in den Kühlregalen der Supermärkte stehen. Und der Anteil dieser Erzeugnisse nimmt zu, seit 1990 um 50 Prozent.
Auch die Kuh ist eine andere als ihre Ahnen: Sie wurde erbarmungslos auf Ausstoß getrimmt. Um das Jahr 1800 herum lieferte sie vier Liter am Tag, heute um die 20 – im Durchschnitt. Allein von 1990 bis 2010 wurde ihre Produktionsmenge von 4600 auf 7300 Liter pro Jahr erhöht, Spitzenkühe schaffen bis zu 12.000. Das hat natürlich Folgen für die arme Kuh, auch für die Qualität der Milch – und für die Menschen, die so etwas trinken.
Immer mehr Wissenschaftler in aller Welt sammeln Verdachtsmomente gegen die Milch. Genauer: gegen viel Milch, gegen die veränderte Milch.
Kann Milch Krebs fördern?
Der Medizinprofessor Bodo C. Melnik von der Universität Osnabrück sieht in Milch ganz allgemein einen »Förderer von chronischen westlichen Krankheiten«. Das liegt an den Eigenschaften, die das Getränk hat – und die durch die modernen Produktionsmethoden noch verändert werden.
Milch ist eigentlich fürs Baby der Kuh gedacht, und ein Baby soll wachsen. Daher enthält sie Stoffe, die das Wachstum fördern. Die Menschen in klassischen Milchtrinkerländern wie Skandinavien sind, folgerichtig, auch ziemlich groß. Aber: Milch kann auch den Krebs wachsen lassen. Die Harvard School of Public Health in Boston im US- Staat Massachusetts empfiehlt deshalb, den Verzehr von »Milchprodukten auf ein bis zwei Portionen am Tag zu reduzieren, weil ein höherer Verzehr mit einem erhöhten Risiko für Prostata- und Ovarialkarzinome einhergeht«.
Ovarialkarzinom, das ist der Eierstockkrebs. Die Harvard-Forscherin Davaasambuu Ganmaa fand ein erhöhtes Krebsrisiko bei Milchtrinkern, als sie den Zusammenhang zwischen Ernährungsgewohnheiten und Krebsraten in 42 Ländern untersuchte. Dabei zeigte sich eine Beziehung zwischen Milch- oder auch Käsekonsum und Hodenkrebs.
Am höchsten waren die Krebsraten in traditionellen Käsenationen wie der Schweiz und in Dänemark. In Ländern wie Algerien hingegen, in denen Milchprodukte seltener konsumiert werden, gibt es tendenziell weniger Krebsfälle.
In Japan wiederum stieg parallel zum Milchkonsum in den letzten fünfzig Jahren auch die Zahl der Prostatakrebserkrankungen an. Auch die europäische EPIC-Studie (»European Prospective Investigation into Cancer and Nu- trition«) ergab einen Zusammenhang zwischen Milchprotein, Kalzium und Prostatakrebs.
Forscher um Li-Qiang Qin an der japanischen Yamanashi-Universität zeigten sogar, wie die Milch den Brustkrebs wachsen ließ – bei ihren Versuchsratten. Sie fütterten sie mit verschiedenen Milchsorten aus dem Supermarkt sowie Milch aus Milchpulver ohne Milchprotein. Ergebnis: Die Vollmilch war am stärksten krebserregend.
Ein Grund könnte das Phosphat in der Milch sein, meint der amerikanische Professor Harold Newmark in einer 2010 erschienenen Studie. Oder das Kalzium. Am wichtigsten aber scheint ein Stoff namens IGF-1 zu sein. Das Kürzel steht für »Insuline-like Growth Factor«, insulinähnlicher Wachstumsfaktor: ein Signalstoff, der vielerlei Wachstums- prozesse anstößt: Das Wachstum der Embryos insbesondere, aber auch das Körperwachstum allgemein – und auch das Wachstum von Pickeln.
Weiterhin soll IGF-1 bei Arteriosklerose, der Zuckerkrankheit, Übergewicht, Krebs und neurodegenerativen Erkrankungen beteiligt sein, sagt Professor Melnik. Und wenn eine werdende Mutter meint, Milch wäre in ihrem Zustand besonders wichtig, dann hält Milchkritiker Melnik dagegen, sie sei, im Gegenteil, »besonders bedenklich«. Denn gerade die Signalstoffe in der Milch könnten sich auch an das werdende Baby im Mutterleib richten: Die »Milchaufnahme während der Schwangerschaft« könne die hormonelle Programmierung des Embryos nachteilig beeinflussen, was zu »Gesundheitsrisiken im späteren Leben führen« könne.
Die Inhaltsstoffe der Milch: Was steckt drin?
Der bisherige Blick auf die Milch war offenbar zu undifferenziert. Jenseits von Nährwert, Kalorien, Vitaminen enthält die Milch eine Fülle von Signalstoffen. Neben dem IGF-1 gibt es noch einen weiteren »Zentralschalter des Wachstums« (Petra Bracht), ein Enzym namens mTORC1.
Und dazu noch einen Stoff, der Wachstumsbremsen ausschaltet. Denn die gibt es sinnvollerweise auch, schließlich soll niemand wachsen bis auf Eiffelturmgröße. Beim Baby allerdings gibt es noch keinen Grund, das Wachstum zu bremsen. Daher enthält die Milch auch Stoffe, die die Wachstumsbremse ausschalten, sogenannte Mikro-Ribo-Nukleinsäuren (»Mikro-RNS«).
Diese schalten gezielt die Bildung von »bremsenden« Eiweißmolekülen ab, »was eine weitere Wachstumsbeschleunigung zur Folge hat«, sagt die Medizinerin. Daher sei nur die Muttermilch gut beim Baby, denn diese enthalte exakt die kindgerechte Menge dieser wachstumsaktivierenden Stoffe. Milch von Tieren aber sei sowohl in der Säuglingszeit als auch später verhängnisvoll, meint jedenfalls Petra Bracht: »Denn beide Mechanismen begünstigen die Entwicklung mTORC1-abhängiger Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht (übermäßige Stimulation der Fettzellen), Diabetes (Überaktivierung der Insulin-bildenden Inselzellen der Bauchspeicheldrüse), Krebs (Überstimulierung mTORC1-abhängigen Wachstums von Krebszellen), Demenz (vermehrte Aktivierung der Proteinbiosynthese in Nervenzellen) und Akne (Überstimulation der Talgdrüsen).«
Hat Milch denn auch Vorteile für die Gesundheit?
Ganz schlechte Neuigkeiten also für die Milch. Und selbst die überlieferten Volksweisheiten werden jetzt zurechtgerückt. Dass Milch die Knochen stärkt, zum Beispiel. Das Gegenteil sei der Fall: dass Milch die Knochen schwächt. Das jedenfalls wollen schwedische Forscher um Karl Michaëlsson von der Universität Uppsala herausgefun- den haben. Denn Milchtrinker brechen sich sogar öfter die Knochen als andere, so ihre Studie, die 2014 im British Medical Journal erschien.
Durchschnittlich brechen sich demnach 35 von 1000 Menschen die Knochen – bei Frauen hingegen, die viel Milch trinken, sind es 42. Bei jenen aber, die wenig Milch trinken, nur 31. Bei Männern gab es keinen Unterschied bei der Knochenbruchrate. Das heißt aber auch: Milch stärkte ihre Knochen leider nicht.
Ähnliches hatte schon eine wissenschaftliche Studie der Universität Zürich und der Harvard Medical School ergeben, die im Jahr 2014 in der Zeitschrift JAMA Pediatrics erschienen ist. Mädchen, die als Teenager zwischen 13 und 18 Jahren viel Milch getrunken hatten, brachen sich später auch nicht seltener die Knochen als die anderen.
Die schwedischen Forscher gingen noch einen Schritt weiter: Sie wollen zudem mit ihrer Studie an 61.433 Frauen im Alter von 39 bis 74 Jahren herausgefunden haben, dass Menschen sogar früher sterben, wenn sie sehr viel Kuhmilch trinken. Nach 20 Jahren zeigte sich: Schon drei Gläser Milch am Tag, über einen Zeitraum von zehn Jahren, können das Leben verkürzen:
Wenn Frauen so viel trinken, liegt die Sterblichkeit höher, bei 180 von 1000. Von denen, die nur ein Glas Kuhmilch trinken oder weniger, sterben lediglich 110 von 1000. Bei Männern war es ähnlich, nur der Unterschied war weniger ausgeprägt. Eine mögliche Ursache sei ein Stoff namens Galaktose, der im Milchzucker enthalten ist und in Tierstudien das Altern beschleunigte.
Ist Milch wirklich ungesund?
»Bewiesen ist ein schädlicher Einfluss von Milch auf die Gesundheit damit natürlich noch nicht«, meinte das Deutsche Ärzteblatt in einem Bericht über die schwedischen Erkenntnisse.
Stimmt. Bewiesen ist vor allem nicht, dass jedwede Milch schädlich ist. Denn es geht auch gar nicht um die Milch als solche, das Getränk aus dem Euter der Kuh. Das wurde schließlich seit Jahrtausenden praktisch nebenwirkungsfrei geschluckt. Jetzt geht es um die »moderne Milch« und ihre Risiken, wie das Harvard Magazine klarstellte.
Denn die »moderne Milch« kommt aus einer modernen Kuh, und sie wird zudem noch industriell verändert, in einer Molkerei, zum Beispiel jener, mit der Theo Müller – der »Wüterich von Aretsried«, wie ihn das Greenpeace Magazin genannt hat – einst sein Imperium begründete.
Aretsried, das ist dieser bizarre Ort zwischen Augsburg und dem Allgäu, inmitten einer sattgrünen Hügellandschaft, mit einem silbernen Monstrum in der Mitte, das sich zwischen den paar Häusern erhebt und den Kirchturm ganz klein erscheinen lässt: das Müller-Ensemble, die Fabrik mit ihren Stahltanks.
Auf der Rückseite gibt es eine Art Molkerei-Outlet, einen schmucklosen, kühlen Raum, in dem die Produkte der Firma zu kaufen sind: Die »Müller-milch« in der »Happy Halloween Edition« (»Müllermilch spukt durch die Regale!«) zum Beispiel, für die die Firma auch kräftig Werbe-Remmidemmi macht: Eigene TV- Kampagne – 301 Millionen Kontakte!«
Die Spuk-Milch gibt es unter anderem in den Geschmacksvarianten Schoko, Banane, Erdbeere, Vanille und Pistazie. Was es nicht gibt: Milch. Also: normale Milch…
Weiter geht’s im Buch “Die Fleischlüge”