Das vegetative Nervensystem steuert die lebenswichtigen Funktionen unseres Körpers wie Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel. Wenn wir angespannt sind und unter Stress stehen, reagiert unser Nervensystem mit dem sogenannten Kampf-oder-Flucht Reflex: Der Puls erhöht sich, die Muskeln spannen an, die Atmung ist flach und schnell. Es sind automatisch ablaufende Reaktionen des Nervensystems auf “Gefahr”, die zunächst unbewusst ablaufen und nicht unserem Willen unterliegen.
Waren wir früher natürlichen Gefahren, wie dem berühmten Säbelzahntiger ausgesetzt, so können heute hohe Rechnungen, ein ärgerlicher Chef oder andere Stresssituationen dem vegetativen Nervensystem existentielle Bedrohungen suggerieren. Häufen sich die Sorgenund fehlen Zeiten der Entspannung, dann befindet sich unser Nervensystem in andauernder Alarmbereitschaft.
Auch negative Gedanken wie Sorgen, Ärger oder Ängste können chronischen Stress verursachen. Das kann sich beispielsweise in Schlafstörungen, dauernder Erschöpfung, Lustlosigkeit und Verdauungsproblemen bemerkbar machen. Viele körperliche und seelische Erkrankungen sind eine Folge von chronischem Stress.
Achtsames Atmen für starke Nerven: Gewinne mehr Gelassenheit und Energie
Das vegetative Nervensystem arbeitet größtenteils automatisch und kann nicht direkt von uns gesteuert werden. Manche seiner Funktionen, wie die Pulsrate, den Blutdruck und unseren Muskeltonus, können wir aber indirekt willentlich beeinflussen. So hilft beispielsweise körperliche Aktivität, wie Sport, als auch bewusstes Entspannen, um die Stresshormone Adrenalin und Cortisol abzubauen. Hilfreich sind Achtsamkeitsmethoden wie Meditation, Yoga, Qi Gong, Taiji, Autogenes Training oder die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR).
Das bewusste Steuern unseres Atems spielt eine wesentliche Rolle in der Regulierung unseres Nervenhaushalts. So wie das Nervensystem unseren Atem beeinflusst, so kann andersherum ein gleichmäßiger und tiefer Atem dem Gehirn signalisieren: Gefahr gebannt. Gezielte Atemübungen können stabilisierend auf das gesamte vegetative Nervensystem wirken. Wenn wir uns gestresst fühlen, müde sind und Ruhe brauchen, ist der Atem unsere natürliche Quelle, um zu entspannen und Energie zu tanken.
Starke Nerven sind kein Fall von Zufall oder Glück. Mit diesen Atemübungen entspannst du Körper und Geist und gewinnst mehr innere Stärke und Gelassenheit:
1. Achtsame Atembeobachtung: Entspanne deinen Geist und deine Sinne
Nimm deinen Atem zunächst einfach wahr, ohne ihn zu verändern. Beobachte dich selbst von innen: Wohin fließt der Atem beim Einatmen? Welche Körperteile werden von dem Atem bewegt? Wo empfindest du Gefühle der Fülle und Weite beim Einatmen? Wo entspannst du beim Ausatmen?
Das Beobachten des Atems lenkt den Geist von seinen Gedanken der Angst, der Sorge oder des Ärgers ab: Unser Kopf kann nicht gleichzeitig denken und den Atem bewusst wahrnehmen. Die achtsame Aufmerksamkeit auf den Atem lässt uns den gegenwärtigen Moment bewusst wahrnehmen: Geist und Körper entspannen und signalisieren deinem Nervensystem, dass es loslassen kann. So verbindest du dich mit deinen inneren Ressourcen von Kraft und Ruhe. Gleichzeitig gewinnst du einen gesunden Abstand zu den Dingen, die um dich herum passieren. Du kannst jederzeit deinen Atem beobachten und dir so auch im Alltag eine erholsame Auszeit zwischendurch nehmen.
2. Seufzender Atem: Bewusstes Seufzen erleichtert und befreit
Atme tief durch die Nase ein. Halte den Atem an und zähle bis Drei. Öffne die Lippen und atme seufzend auf “Haaa…” aus. Du kannst das “Ha” stumm ausatmen. Etwas intensiver wirkt es, wenn du deinem Seufzer eine Stimme verleihst: Die Vibrationen des Tones sorgen für zusätzliche Entspannung im Brust-, Hals-, Nacken- und Kopfbereich. Und auch emotional wirkt es befreiend, einmal laut und herzhaft seufzen zu dürfen.
Wiederhole das seufzende Atmen drei bis fünf Mal. Schließe dann sanft die Lippen, lasse deinen Kiefer weich und entspannt bleiben. Schließe deine Augen und spüre in dich hinein: Wie fühlst du dich jetzt? Wie atmest du jetzt?
3. Bewusste Bauchatmung: Verbinde dich mit der Kraft deiner inneren Mitte
Lasse jetzt deinen Atem mit jedem Einatmen sanft immer tiefer in dich hineinfließen, bis er den ganzen Bauchraum füllt. Vielleicht magst du eine oder beide Hände auf den Bauch legen, die Daumen ruhen oberhalb, alle anderen Finger und die Handinnenflächen unterhalb des Bauchnabels. Nimm wahr, wie dein Atem tiefer und langsamer wird. Beim Einatmen wölbt sich die Bauchdecke nach vorne und beim Ausatmen sinkt sie zurück Richtung Wirbelsäule.
Die Bauchatmung ist unsere natürliche Atmung. Wenn wir unter chronischem Stress stehen, reagiert das vegetative Nervensystem mit einer flachen, hochfrequentierten Atmung vorwiegend in den Brustbereich. Bei der oberflächlichen Brustatmung nutzen wir nur einen Teil unseres Atemvolumens und gewinnen so auch nur einen Teil der lebensnotwendigen Sauerstoffzufuhr. Der Sauerstoffmangel signalisiert dem Nervensystem wiederum: Alarm!
Über die Bauchatmung unterbrechen wir diesen Stress-Kreislauf und verbinden uns mit unserer inneren Mitte, der Quelle für Kraft, Ruhe und Sicherheit: So können wir auch in belastenden Situationen gelassener und geduldiger reagieren.
Du kannst die Bauchatmung jederzeit üben, um dich zu beruhigen und zu zentrieren. Es ist hilfreich, wenn du die Bauchatmung als tägliches Ritual zu deiner Gewohnheit machst: Morgens gleich nach dem Aufwachen gibt sie uns Energie und Ruhe für den Tag. Abends erleichtert sie das Einschlafen.