Immer mehr Menschen leiden in unserer Gesellschaft unter Stress und den negativen Folgen der ständig hohen Stressbelastung. Viele suchen nach Entspannungsmethoden, die ihnen helfen, nach einem stressigen Tag einfach abzuschalten und schnell Erholung zu finden. Unsere Expertin und Präventologin Sabine Fürst erklärt, wieso Progressive Muskelrelaxation auch die richtige Methode für euch sein könnte.
Was ist Progressive Muskelrelaxation, kurz: PMR?
PMR ist für viele eine gute Entspannungsmethode, da sie relativ schnell zu erlernen ist, keinerlei Hilfsmittel benötigt und jederzeit angewendet werden kann.
PMR bedeutet Progressive (stufenweise fortschreitende) Muskelrelaxation. Im Deutschen Sprachraum wird die Methode manchmal auch PME, progressive Muskelentspannung, genannt.
Wie Stress unsere Muskulatur beansprucht
Bei Angst, Anspannung oder Stress spannt sich automatisch die Muskulatur an. Je größer die Anspannung durch Druck, psychische Belastungen und Sorgen ist, desto größer sind auch die Muskelanspannungen im Körper. Unter Umständen können dadurch Schmerzen und psychosomatische Störungen ausgelöst werden.
Ziel der PMR ist es, durch die Auflösung dieser muskulären Spannungszustände eine tiefere Entspannung der gesamten Muskulatur zu erreichen, wodurch ein Zustand körperlicher Ruhe und seelischer Entspannung hervorgerufen wird.
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Die tiefe Entspannung der ganzen Muskulatur wirkt beruhigend auf das vegetative Nervensystem, das unter anderem Herzschlag, Atmung, Blutdruck, Verdauung und Stoffwechsel kontrolliert. Dadurch kann sich PMR bei folgenden Problemen positiv auswirken:
- Vorbeugung psychosomatischer Erkrankungen
- Alltagsstress
- Spannungskopfschmerzen und Migräne
- Einschlafschwierigkeiten und Schlafstörungen
- Nervosität, Hyperaktivität
- Gereiztheit, Aggression
- Nächtliches Zähneknirschen
- Lernschwierigkeiten, Prüfungsangst
- Geburtsvorbereitung, -erleichterung
PMR ist auch für Schwangere und Stillende hilfreich und ist lediglich bei vorzeitiger Wehentätigkeit nicht indiziert.
Gegenanzeigen – Wann darf man kein PMR machen?
Nicht geeignet ist PMR bei schweren Angstzuständen, schweren Depressionen und Wahnvorstellungen. Auch für Personen mit Epilepsie, akutem Bandscheibenvorfall, Herzinsuffizienz oder Lähmungen ist PMR nicht zu empfehlen.
Edmund Jacobson und die Geschichte der PMR
Diese Methode wurde Anfang des letzten Jahrhunderts von dem amerikanischen Arzt und Physiologen Edmund Jacobson (1885 -1976) entwickelt. Er arbeitete in den Laboratorien der Harvard-Universität und hatte beobachtet, dass Anspannungen der Muskulatur häufig im Zusammenhang mit innerer Unruhe, Stress und Angstzuständen auftreten.
Er erkannte, dass die innere Anspannung oft auch zu einer muskulären Anspannung führt und zur Folge hat, dass es bei dauerhafter Stressbelastung oft zu Verspannungen, Verkrampfungen, Herz-Kreislauferkrankungen sowie Magen-Darm-Krankheiten kommt.
Sein Ansatzpunkt bei der Entwicklung dieser Methode bestand darin, dass auch der umgekehrte Fall funktionieren müsste. Mit der Entspannung der Muskulatur soll auch ein vertieftes Ruhegefühl und eine seelische Entspannung erreicht.
Die Psyche wirkt auf den Körper und der Körper wirkt auf die Psyche
Bei Jacobson wurde PMR folgendermaßen durchgeführt:
Den Übenden wurden insgesamt 50 verschiedene Muskelgruppen vorgestellt. Nacheinander sollten diese nun für 1-2 Minuten ganz leicht angespannt und danach für 3-4 Minuten entspannt werden.
Der Nachteil der Originalmethode bestand in dem sehr großen Zeitaufwand für den Übenden. Durch die langen Übungen bestand auch immer die Gefahr des Einschlafens. Außerdem dauerte es insgesamt 6 Monate, bis die Methode erlernt war.
Die Weiterentwicklungen des Verfahrens zielten daher darauf ab, die Methode in einem kürzeren Zeitrahmen erlernbar zu machen.
Heute wird meist PMR nach Bernstein und Borkovec gelehrt
Dabei wird mit der Anspannung und Entspannung von 16 verschiedenen Muskelgruppen begonnen. Danach wird auf 7 und schließlich auf nur noch 4 Muskelgruppen reduziert. Somit wird eine tiefe Entspannung in immer kürzerer Zeit erreicht. Benötigt man für die 16 Muskelgruppen noch circa 45 Minuten, reichen für die 4 Muskelgruppen 10 Minuten völlig aus.
Wie wird Progressive Muskelrelaxation durchgeführt?
PMR wird in bequemer Haltung geübt. Nichts soll den Übenden von der Konzentration auf die Entspannung ablenken. In welcher Haltung PMR durchgeführt wird, hängt von den Räumlichkeiten ab. Grundsätzlich kann in verschiedenen Positionen geübt werden, im Sitzen, Liegen und auch im Stehen.
Der Kursleiter/ die Kursleiterin wird zu Beginn durch Atem- bzw. Körperbeobachtungsübungen die Übenden in einen entspannteren Zustand versetzen. Dann erfolgt die Anweisung die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Muskelgruppe lenken und diese für 5-10 Sekunden anzuspannen. Dabei ist wichtig, dass Gefühl der Anspannung ganz bewusst wahrzunehmen.
Danach folgt eine Entspannungsphase von 30 – 60 Sekunden und auch hier soll das Gefühl der Entspannung bewusst wahrgenommen werden. So werden nach und nach alle 16, 7 und dann 4 Muskelgruppen in der immer gleichen Reihenfolge angespannt und entspannt und die Übenden gelangen in einen tief entspannten Zustand.
Es gilt, die unterschiedlichen Zustände des Muskels besser wahrzunehmen und eine bessere Körperwahrnehmung zu erreichen. Mit der Zeit lernt man, gezielt muskuläre Entspannungen auszulösen, wann immer es nötig ist.
Mit PMR kann man akute Stresssituationen bewältigen
Progressive Muskelentspannung ist schnell und einfach zu erlernen und anzuwenden. Wer regelmäßig mit PMR entspannt, kann die Methode auch in akuten Stresssituationen gezielt einsetzen und damit den negativen Folgen von zuviel Stress zuvor kommen.
Grundsätzlich bietet es sich an, PMR in einem Kurs zu erlernen. Dort kann man PMR Schritt für Schritt erlernen, den Kursleiter bei Problemen befragen und sich mit den anderen Kursteilnehmern austauschen. Zuhause haben die meisten oft nicht die Muße wirklich 60 – 90 Minuten bewusst zu entspannen, es gibt doch zu viele Ablenkungen.
Die Methode wird in Kursen von 8 -10 Wochen Dauer angeboten und ist auch für senr energetische Menschen geeignet, die beim autogenen Training nicht zur Ruhe kommen können. Durch die bewusste Körperanspannung wird die Entspannung aktiv herbeigeführt und gelingt auch Personen, die sich sonst mental leicht ablenken lassen.
Die meisten gesetzlichen Krankenkassen sind von der Wirksamkeit und den gesundheitlichen Vorteilen des Erlernens dieser Methode überzeugt und bieten daher bei zertifizierten Kursen einen Zuschuss von 80 -100 % der Kosten an.
Hat man die Methode erst mal erlernt, kann man zuhause alleine weiter machen oder sich eine PMR-CD aus dem Handel holen, um so aktiv dem Stress entgegen zu wirken und durch die bewusst herbeigeführte Entspannung wirklich Erholung zu finden.