“Immer suche ich mir den Falschen aus!” seufzen wir, wenn wieder eine Beziehung in die Brüche geht. Doch was genau ist “falsch” an unserer Wahl? Und wie finden wir einen Partner, der wirklich zu uns passt? Katharina Ohana, promovierte Sozialpsychologin, stellt in ihrem letzten Buch “Mr. Right. Von der Kunst den Richtigen zu finden. Und zu behalten.” fest: Die Wahl der Partner wird allzu oft durch falsche Erwartungen bestimmt.
Aussehen, Status, finanzieller Hintergrund sollen ebenso perfekt passen, wie der Charakter, die Interessen und Hobbies. In einer Welt, die auf Marktwert und Selbstoptimierung setzt, wird die Partnersuche zu einer Art Projekt, das die Werte der Leistungsgesellschaft spiegelt.
Im Gespräch mit evidero verrät die Autorin einen neuen Weg der Partnersuche: Von Mr. Perfect zu Mr. Right – dem Menschen, der einfach richtig für uns ist.
Viele Menschen geraten in Liebesdingen ständig an die Falschen und tappen von einer Enttäuschung in die nächste – während es anderen scheinbar so leicht fällt, jahrelange, erfüllende Partnerschaften zu führen. Warum ist die romantische Liebe für manche so kompliziert?
Liebe ist eigentlich gar nicht so kompliziert, wenn man von zu Hause eine gute Form der Liebe und ein gesundes Selbstbild mitbekommen hat. Doch viele Menschen haben schon als Kinder Liebe und Anerkennung nur dann bekommen, wenn sie den Leistungsansprüchen der Eltern entsprochen haben.
Und so gehen sie dann auch später an ihre Liebesbeziehungen heran: Einerseits stellen sie selbst die höchsten Ansprüche und andererseits haben sie auch die Angst, selbst nicht zu genügen, nicht perfekt genug zu sein.
Wie kann man den richtigen Partner finden?
Mr. Right – Wie finden wir heraus, wer der richtige Partner für uns ist?
Den richtigen Partner finden wir nur, wenn wir nicht den perfekten Partner erwarten. Viele wissen zwar, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Doch unbewusst versuchen sie trotzdem, den höchstmöglichen „Marktwert“ für sich einzufordern. Da entsteht dann doch eine lange Liste der „Must-haves“, Dinge, ohne die man glaubt, den anderen nicht lieben zu können, weil man immer denkt: Ich könnte noch was Besseres finden, dies und jenes stört mich zu sehr.
Doch man sollte nur etwas Besseres erwarten, wenn man schlecht behandelt wird von seinem Partner oder nicht wirklich geliebt wird. Oft glaubt man dann, dass man selbst nicht gut genug ist und die „Must-haves“ des anderen nicht erfüllt. Doch gerade dieses marktwirtschaftliche Denken hat mit Liebe und wirklicher zwischenmenschlicher Begegnung nichts zu tun. Das muss man zu allererst mal verstehen.
Mrs. Right – Stehen Männer vor den gleichen Problemen bei der Partnersuche wie Frauen?
Ja, Männer stehen definitiv vor demselben Problem, auch wenn ihre Liste etwas anders aussieht. Die Attraktivität ist bei beiden Geschlechtern immens wichtig in Zeiten der Omnipräsenz perfekter Körper in Werbung, Medien und Filmen. Aber für Männer ist das Einkommen von Frauen nicht so wichtig wie umgekehrt. Dafür haben sie noch überzogenere Perfektionsansprüche an das Äußere der Frauen, während Frauen ein breiteres Spektrum der männlichen Attraktivität akzeptieren und nicht ganz so hohe Ansprüche stellen.
Dabei spielt bei beiden Geschlechtern der Narzissmus eine große Rolle, ihr Anspruch an das Äußere und den Erfolg steht im Zusammenhang mit dem oft übertriebenen Wunsch-Selbstbild.
Was hindert uns daran, den richtigen Partner zu finden?
Was sind die größten Stolpersteine auf dem Weg zu der großen Liebe, die hält, was wir uns wünschen?
Der größte Stolperstein ist die eigene infantile Erwartung. Kleine Kinder wünschen sich, die Tollsten zu sein und volle Aufmerksamkeit und Bewunderung von allen zu bekommen. Sie möchten im Mittelpunkt stehen und alles soll sich nach ihnen richten, ohne dass sie etwas zurück geben müssen. Das nennt man infantilen Narzissmus.
Und wenn wir in der Kindheit nicht erfahren haben, dass wir um unser selbst willen geliebt werden, dann fordern wir ein Leben lang Wiedergutmachung: Wir suchen nach dieser existentiellen Bestätigung und sind ohne sie ängstlich und unsicher.
Doch wir haben als Erwachsene das Recht auf diese Sonderbehandlung und Rundumversorgung verloren. Trotzdem fordern wir sie von unserem Partner und dieser von uns. An diesen zu hohen Erwartungen scheitern alle Beziehungen, wenn die Erwachsenen sich dieser kindlichen Muster nicht bewusst sind.
Es heißt, man findet die Liebe, wenn man es am wenigsten erwartet. Können wir dennoch aktiv etwas tun, um Mr. Right oder Mrs. Right zu finden?
Man findet die Liebe nicht einfach so, wenn man immer wieder in derselben Schleife hängt. Es kommt nicht einfach so Mr. oder Mrs. Perfekt vorbei. Man findet die Liebe, wenn man sich nachhaltig mit seinen überzogenen Erwartungen auseinander setzt. Und viele bräuchten dazu wirklich eine gute Therapie. Denn ihr verzerrtes Selbstbild und die damit zusammenhängenden Träume können sie gar nicht alleine durchschauen und schon gar nicht einfach so verändern.
Gerade in therapeutischen Beziehungen werden die versteckten Sehnsüchte herausgeholt und aufgearbeitet. Das hängt auch vom Alter ab. Wer mit 30 noch nicht den richtigen Partner gefunden hat, hat durchaus noch Chancen, den Dreh alleine raus zu bekommen. Wer mit 40 aber immer noch ein ums andere Mal an derselben Stelle scheitert, sollte sich dringend professionelle Hilfe suchen.
Wie sieht eine erwachsene, eine reife Suche nach dem richtigen Partner aus?
Zunächst einmal muss man sich der tieferen Zusammenhänge klar werden und die eigenen Muster der Erwartungen durchschauen lernen. Zu akzeptieren, dass es keine schnelle Lösung gibt, dass es Zeit braucht, um zu verstehen, ist der nächste Schritt. Es gilt, sich in seinen Erfahrungen zu beobachten, diese umzuwerten und durch enttäuschte Sehnsüchte das eigene innere Kind zu erfassen.
Nur so kann man sich von seinen alten Idealbildern, die zudem auch durch “Vorbilder” aus romantischen Filmen und Fernsehserien geprägt sind, lösen. Dann kann ein Umdenken stattfinden: Man findet automatisch Menschen attraktiv, die sich wertschätzend verhalten, die stark sind und selbst das Mühlrad der Perfektion hinter sich gelassen haben.
Wie geht es weiter, wenn man den Richtigen gefunden hat?
Was sind die größten Herausforderungen in einer bestehenden Partnerschaft?
Die größte Herausforderung ist, zwischen den eigenen Erwartungen und denen des anderen ein gutes Gleichgewicht zu finden. Respekt und Anerkennung der Bedürfnisse des anderen, immer wieder seine Position zu verstehen, ihn nicht verletzen zu wollen, ist sehr wichtig. Das muss aber unbedingt beidseitig sein.
Viele opfern sich für die Bedürfnisse des anderen auf, in der Hoffnung, der andere möge ihnen endlich etwas zurückgeben. Sie sind diese Opferbereitschaft aus ihrer Kindheit gewohnt. So entsteht das Muster der ungesunden Liebe, das wir dann in unsere Partnersuche mitnehmen. Selbstschutz und Gebenkönnen müssen gelernt werden.
Wann ist es wichtig und richtig, an einer Liebesbeziehung festzuhalten – und wann ist es Zeit für einen Abschied, auch wenn es vielleicht schmerzt?
Der Zaubersatz ist: „Das tue ich mir nicht mehr an“. Wenn man zu sehr leidet unter Streit, Demütigungen und einem Ungleichgewicht, sollte man nicht mehr weiter kämpfen, weiter artig sein und hoffen, der andere würde einem die eigene Anstrengung endlich anerkennen und wiedergutmachen. Man sollte sich jemanden suchen, der einen so behandelt, wie man selbst bereit ist, sich in die Beziehung einzubringen.
Oft hoffen wir wie kleine Kinder, Mami oder Papi mögen uns endlich anerkennen und gut behandeln und uns so wahrnehmen, wie wir sind. Doch wir sind erwachsen und müssen uns selbst schützen. Umgekehrt: Wer in der Liebe immer wieder ein Arschloch ist, wird auf Dauer niemanden haben, der in Krisensituation zu einem hält.
Aus dieser Erfahrung sollte man sein eigenes Verhalten überdenken. Aber dazu müssen viele Menschen erst mal älter werden, denn dann häufen sich erfahrungsgemäß die Krisen und man kann nicht mehr so leicht davor weg rennen.
Glaubst du an die eine, die große Liebe? Oder finden wir vielleicht mehrere Mr./Mrs. Rights im Laufe eines Lebens?
Die heutige Idee von der seriellen Monogamie passt nur die Norm an die Realität an. Doch dahinter träumen wir weiter vom Partner fürs Leben, jede neue Liebe steht unter diesem Hoffnungsstern. Dieser geht zwangsläufig dann unter, wenn wir unsere Psyche in einem infantilen Stadium belassen, weil wir vor der Auseinandersetzung mit unseren Prägungen Angst haben und Schmerzen vermeiden wollen.
Wer immer an den “Falschen” gerät, sollte hinterfragen, welche seiner eigenen Bedürfnisse noch infantil sind und der Entwicklung bedürfen. Haben wir mal eine gesunde erwachsene Reife erreicht, hält eine Partnerschaft dann oft ein Leben lang.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Melanie Lotz