„Achtsamkeit ist eine besondere Form der Aufmerksamkeitslenkung, wobei die Aufmerksamkeit absichtsvoll und nicht-bewertend auf das bewusste Erleben des gegenwärtigen Augenblicks gerichtet ist“. So beschreibt Jon Kabat Zinn, der Begründer des MBSR-Programms, Achtsamkeit. Klingt gut – aber was sich erstmal leicht anhört, ist im Alltag gar nicht so einfach. Wir haben diesmal zwei Übungen für euch, einmal als Audiofile und einmal als PDF, um es zu lernen.
Gedanken und Sorgen loslassen – Der Geist ist ein wilder Affe
Das kennen Sie sicher: Sie wollen nach einem anstrengenden Tag entspannt die letzten Sonnenstrahlen genießen und zur Ruhe kommen. Doch nach kurzer Zeit fällt Ihnen das unangenehme Gespräch mit dem Chef wieder ein. „Wieso hat der nach meinem Vortrag eigentlich so komisch reagiert? Hat er nicht letztens auch schon eine blöde Bemerkung gemacht? Ach und morgen muss ich endlich den Bericht fertig schreiben. Puh, wie soll ich das schaffen? Das wird eng. Susanne muss ich anrufen. Was soll ich morgen kochen? Muss noch einkaufen…“
Der Geist ist wie ein wilder Affe, er springt permanent von einem Gedanken zum nächsten. Besonders beliebt sind problematische Situationen aus der Vergangenheit, Streitgespräche, Sorgen, Pläne und To-Do-Listen. Eigentlich wollen wir doch nur mal eine Pause. Da frage ich mich: Wer ist hier eigentlich der Herr im Haus: Ich oder mein Geist?
Mit der Übung von Achtsamkeit versuchen wir, die Aufmerksamkeit immer wieder auf die Gegenwart zu richten. Dabei nehmen wir eine innere Beobachterposition ein, das heißt, wir treten innerlich einen Schritt zurück und nehmen wahr, was an Gedanken aufkommt, ohne es zu bewerten oder etwas zu verändern – wir versuchen, alles so anzunehmen, wie es im jetzigen Augenblick ist.
Durch die Verbundenheit mit dem gegenwärtigen Moment kann der Geist sich beruhigen und so tritt nach und nach mehr innere Ruhe ein. Wir nehmen die Bewegungen des Geistes noch wahr, verwickeln uns aber nicht mehr in die Geschichten, die er uns ständig einflüstert. Im Buddhismus verwendet man hierfür das Bild eines trüben Glases Wasser, das sich nach und nach klärt, wenn das Glas ruhig steht und der Schmutz auf den Boden des Glases sinken kann.
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Dafür ist es notwendig, aus dem Hamsterrad der Aktivität und des ständigen Tuns herauszutreten und immer wieder für eine Zeit in die Stille zu gehen. Sich einfach hinsetzen und sich im Nichts-Tun üben. Normalerweise sind wir damit beschäftigt, irgendetwas zu erledigen, irgendetwas zu erreichen und irgendwo hinzugelangen. Was würde sich verändern, wenn wir das einfach mal loslassen und nur im gegenwärtigen Moment verweilen?
Für viele Menschen ist das sehr ungewohnt und eine fast beunruhigende Vorstellung. „Das ist nichts für mich“ höre ich immer wieder von Teilnehmern in den Achtsamkeitsworkshops, oder: „Da werde ich total unruhig.“ Gerade wenn man mit der Übung beginnt, bemerkt man, wie voll der Kopf ist und wie unruhig oder angespannt der Körper. Das fühlt sich dann erstmal nicht angenehm an. Aber wenn ich mich entschließe, einfach sitzen zu bleiben und zu beobachten, was in mir vorgeht, dann kehrt langsam Ruhe ein.
Im Hier und Jetzt ankommen: Akzeptanz der Veränderung – Alles fließt!
Aus unserer achtsamen Beobachterposition bemerken wir dann das ständige Kommen und Gehen von Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen. Wir neigen dazu, angenehme Empfindungen gerne behalten zu wollen und Unangenehmes so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Das ist aber gar nicht möglich, denn alles ist ständig in Bewegung. Jedes schöne Gefühl verschwindet irgendwann wieder und kein Schmerz bleibt für immer gleich. Wenn wir das akzeptieren und mitfühlend betrachten können, dann können wir künftiges Leiden vermeiden und mehr innere Gelassenheit entwickeln.
Das heißt nicht, dass wir einfach lethargisch alles hinnehmen, was so passiert – im Gegenteil: Erst über das Betrachten und Annehmen dessen, was ist, sind wir in der Lage, uns weiterzuentwickeln. Akzeptanz als Voraussetzung für Veränderung.
Verbindung von Körper und Geist – Atmen und den Körper wahrnehmen
Bei der Übung von Achtsamkeit wird die Aufmerksamkeit zum Atem und den Körperempfindungen gebracht. Die Wahrnehmung des Atems verbindet Körper und Geist und bringt mich in Kontakt mit mir selbst. Der Körper spiegelt Emotionen, Gedanken und Stimmungen wider, deshalb spielt eine bewusste Beobachtung der Körperempfindungen in der Achtsamkeitsübung eine bedeutende Rolle. Bei zunehmender Sensibilisierung für körperliche Empfindungen können diese wie Frühwarnsignale zur Selbstregulation genutzt werden.
Deshalb möchte ich Ihnen heute den “Bodyscan” vorstellen, eine Achtsamkeitsübung, bei der Sie mit der Aufmerksamkeit durch den ganzen Körper wandern und alle Ihre Empfindungen wahrnehmen. Dabei geht es nicht darum, irgendetwas besonderes zu empfinden oder sich auf eine bestimmte Art zu fühlen. Es geht ausschließlich darum, wahrzunehmen, was gerade wahrzunehmen ist.
Machen Sie den Bodyscan für diese Woche einmal am Tag. Am besten suchen Sie sich dazu einen ruhigen Ort, an dem Sie nicht gestört werden. Legen Sie sich bequem hin, schauen Sie, dass es warm genug ist, schließen Sie die Augen und folgen Sie der Anleitung. Auch hier gilt: Tun Sie die Übung absichtslos und mit einer freundlichen und mitfühlenden inneren Haltung.
Achtsamkeitsübung “Bodyscan” als mp3 Audiodatei
- Bodyscan 12 min (audio)
- (1 x täglich Bodyscan plus 3 x täglich Innehalten aus Woche 1)
Die Übung des Innehaltens aus der ersten Woche sollten Sie begleitend weiterhin dreimal am Tag üben.
Achtsamkeitsübung: Rosinenübung als PDF zum Herunterladen
Um mehr Bewusstheit im gegenwärtigen Moment zu entwickeln ist es sehr hilfreich, Tempo rauszunehmen und das, was wir tun, langsam und sehr aufmerksam zu tun. Einfach mit der vollen Aufmerksamkeit bei dem sein, was ich gerade tue und schauen, was sich entfaltet. Versuchen Sie das doch mal mit einer ganz einfachen Sache: Nehmen Sie eine Rosine und essen Sie sie ganz achtsam – egal ob Sie Rosinen mögen oder nicht. Eine Anleitung dazu finden Sie im Anhang.
Rosinenübung zum Herunterladen!