William Trubridge ist Weltrekordhalter im Freediving, seine Frau Brittany Trubridge Yogalehrerin. Gemeinsam verbinden sie Yoga und Freediving zu einem Training, das einen an den Rand der eigenen Möglichkeiten führt.
Brittany, Will, gab es in eurem Leben ein Schlüssel-Ereignis, das euch zu dem Punkt gebracht hat, an dem ihr jetzt steht?
Brittany: Für mich war es ein Prozess. Ich habe mit 15 zu meditieren begonnen und mich auch für Philosophie interessiert. Zum Yoga bin ich erst einige Jahre später gekommen, als Wills Mutter mich unter ihre Fittiche genommen und es mir beigebracht hat. So habe ich das Meditieren und die Philosophie verinnerlicht und in mein Leben und meinen Körper gebracht.
William: Wenn du damit das Freediving meinst, dann war das wichtigste Schlüssel-Ereignis in meinem Leben, dass meine Eltern ihr Haus in Nordengland verkauft haben, als ich gerade zwei Jahre alt war. Sie kauften stattdessen ein Boot und wir segelten bis nach Neuseeland. Wir verkauften das Boot erst, als ich zehn war. Auf das Freediving selbst bin ich erst mit 22 gestoßen, aber wenn ich jetzt zurückblicke auf meine Kindheit und die Zeit als Teenager, kann ich schon deutlich die Zeichen sehen: Das ist es, wo ich hingehöre. Da liegt meine Zukunft und meine Leidenschaft.
Diese Leidenschaft, bezieht sie sich eher auf euer persönliches Leben, oder spürt ihr auch ein gewisses Sendungs-Bewusstsein, es an andere weiterzugeben? Ihr seid ja beide auch Lehrer für Yoga und Freediving.
Brittany: Am Anfang war es für mich vor allem eine Art Sendungs-Bewusstsein. Fast, als wolle ich mich selbst ganz ausklammern und mich nur darauf konzentrieren, den Menschen zu dienen. Doch mit der Zeit habe ich erkannt, dass ich mich um mich selbst und um meine eigenen Glaubens-Grundsätze kümmern muss, um anderen helfen zu können. Es ist also beides. Ich achte auf mich selbst, damit ich auch auf andere achten kann.
William: Für mich ist es immer ein großartiges Ereignis, zu sehen, wie jemand etwas erreicht, das er nie für möglich gehalten hätte. Vor allem, wenn er das Freediving zum ersten Mal ausprobiert. Aber auch mein eigenes Training ist nicht nur für mich selbst. Ich denke, dass dieser Sport einen mit einbezieht in diese Revolution der letzten Jahre für einen gesünderen und umwelt-bewussteren Lebensstil. Im Gegensatz zu etwa Scuba Diving, also mit Tauchausrüstung, hat Freediving kaum Einfluss auf die Umwelt. Es ist die beste Möglichkeit, die Unterwasser-Welt zu erkunden und wirklich in Kontakt mit ihr zu kommen – ohne ihr zu schaden. Dadurch entsteht ein tiefer Respekt vor der Umwelt, man sorgt sich darum. Ich möchte diese Bewegung unterstützen und mehr Achtsamkeit und Mitgefühl für unsere Meere hervorrufen. Darum mache ich Freediving und unterrichte es.
Brittany: Ja, diese Erkenntnis, dass wir nicht anders sind als unsere Umwelt.
Ihr macht beide sowohl Yoga als auch Freediving. Was ist wichtiger für euch, oder könnt ihr es gar nicht voneinander trennen?
Brittany: Sie gehen Hand und Hand und dienen einander. Meiner Erfahrung nach ist es schwierig, beide gleichzeitig sehr intensiv zu praktizieren. Das verbraucht sehr viel Energie und es hat dazu geführt, dass ich es mit dem Training übertrieben habe. Also habe ich mich entschieden, mich auf die Yoga Asanas zu konzentrieren und das Freediving mache ich eher nebenher. Vielleicht wird sich das auch irgendwann wieder ändern und das Freediving kommt in den Fokus.
William: Für mich ist eher das Yoga die Zugabe, etwas, das mich in meinem Freediving unterstützt. Freediving kann eine sehr starke Meditation sein, denn beim Tauchen solltest du all deine Gedanken abschalten können. Daher passen Yoga und Freediving so gut zusammen.
Brittany: Es ist auch fast so, als würdest du beim Tauchen den Sonnengruß machen.
William: Ja, wenn ich “No Fins” tauche, also ohne jegliche Hilfsmittel, auch ohne Flossen. Die Sonnengruß-Bewegung ist sehr ähnlich wie die Bewegung mit den Armen beim Tauchen. So kommt es mir also auch zugute. Der Atem ist dabei völlig still. Die meisten Menschen nutzen nur den Sauerstoff aus der Lunge, aber wir haben auch in den Muskeln und im Blutkreislauf noch Sauerstoff. Durch Training kann man lernen, den zu nutzen.
Yoga kann an vielen Stellen beim Freediving helfen
Was ist denn wichtiger, die Asana Praxis oder das Pranayama, also die Atemtechniken?
William: Ich denke, Pranayama hat mir für mein Training mehr geholfen, aber es gibt auch sehr viele Asanas, die mir jeden Tag dabei helfen, meinen Körper flexibler zu machen. Sie sind also beide wichtig.
Hast du denn schon Yoga gemacht, als du mit Freediving begonnen hast? Oder hast du deinen Körper und deine Muskeln anders trainiert?
William: Ich habe am Anfang vor allem durchs Freediving selbst trainiert. Auch jetzt habe ich keine Yoga-Routine, die ich täglich ausüben würde. Ich mache jeden Tag ein paar Asanas, aber nur zur Vorbereitung.
Gibt es spezielle Yoga-Übungen, die sich besonders gut eignen, um auch beim Freediving davon zu profitieren?
Brittany: Natürlich, wir unterrichten ja auch Yoga für Freediving. Dabei konzentrieren wir uns aufs Pranayama und auf Asanas, die die Körperteile betreffen, die beim Freediving beansprucht werden. Da wären zum Beispiel Übungen mit dem Zwerchfell oder auch “Nauli”, beides dient der inneren Flexibilität. Und die ist wichtig, um den Druck in großen Tiefen auszugleichen. Auch die Schultern, Hüfte, Knöchel oder Handgelenke müssen beweglich sein, um mit den physischen Anforderungen fertig zu werden.
William: Genau, vor allem “Nauli” ist wichtig. Das Rotieren der Bauchmuskeln ist sehr wichtig fürs Freediving, denn in extremen Tiefen wird die Lunge auf ein viel geringeres Volumen komprimiert, als das beim einfachen Ausatmen passiert. Sie ist danach ungefähr ein Drittel oder sogar nur ein Viertel so groß, wie beim kompletten Ausatmen. Dein ganzes Atemsystem muss also flexibel sein, das Zwerchfell, der Brustkorb und deine Atemwege. Dabei kann Yoga sehr gut helfen.
Brittany: Es sind aber nicht nur die körperlichen Aspekte. Yoga bedeutet auch, dich mental an deine Grenzen zu bringen. Du lernst, dich bei der Relaxation wohl zu fühlen, auch wenn du an deine Grenzen stößt. Das ist eine sehr starke mentale Technik auch fürs Freediving. Es ist eine ganz feine Balance. Du musst wissen, wann du aufhören musst, aber du musst dich auch entspannen können und Vertrauen darin haben, wie weit du gehen kannst.
Arbeitet ihr auch auf Therapie-Basis mit Menschen? Zum Beispiel mit Asthma-Patienten?
William: Absolut. Wir hatten schon Asthmatiker in meinen Kursen und diese können vom Freediving sehr profitieren. Beim Freediving geht es schließlich darum, die Atmung zu kontrollieren und das ist genau das, was beim Asthma außer Kontrolle gerät. Kürzlich hatte wir auch eine Teilnehmerin mit Diabetes Typ 1, der man gesagt hatte, sie könne wegen ihrer Krankheit eigentlich kaum etwas machen. Und dann zu erfahren, dass sie sehr wohl mit uns ins Wasser gehen und den Atem anhalten konnte, war eine große Erleichterung für sie. Freediving hat nur wenig Einschränkungen. Bei vielen Verletzungen oder Problemen kann man sogar davon profitieren. Deswegen ist es ein Sport, den man sehr häufig selbst dann ausüben kann, wenn das meiste andere nicht geht.
Mit Yoga und Freediving kannst du zu dir selbst finden
Brittany, auf deiner Homepage haben wir den Slogen “Dive into you” gefunden, also “Tauche ein in dich selbst”. Wie ist das gemeint?
Brittany: Das ist eine Referenz auf die innere Reflexion sowohl an Land als auch im Wasser. Beim Freediving trittst du den Stimmen in deinem Kopf gegenüber, die dir einreden, du kannst es nicht schaffen. Du bist mit dem Verlangen zu atmen konfrontiert, das ist ein Urinstinkt, da ist Panik dahinter. Das musst du überwinden, um wirklich tief tauchen zu können. Im Prinzip musst du also auch innerlich “tauchen”, wenn du äußerlich tauchst. Wenn du auch im Alltag diese Stimmen in deinem Kopf überwinden kannst, dann kommst du wirklich zur Ruhe. Das ist sein wahres Selbst.
Hat Freediving dann auch einen spirituellen Aspekt?
William: Ganz eindeutig. Das ist ähnlich wie Bergsteigen oder andere Sportarten, die sehr gefährlich sind. Du wirst dir deiner eigenen Existenz bewusst durch diese Gefahr. Ich habe das mal so beschrieben: Du betrittst ein Reich, das für uns eigentlich unzugänglich ist. Wenn du dort bleibst, ertrinkst du irgendwann. Es geht also darum, wie weit und wie tief du dich traust, in dieses Reich vorzudringen, sodass du wieder zurückkommen kannst. Dieser Prozess ist wie eine Wiedergeburt, es ist ein Triumph, dem Tod entkommen zu sein. Das ist ein spiritiueller Aspekt, der aber für jeden Freediver unterschiedlich ist.
Wie hat Freediving dein tägliches Leben beeinflusst?
William: Vor allem hat es mich Respekt vor der Welt gelehrt. Und wenn du so eine Erfahrung machst, wie in Deans Blue Hole zu tauchen, dann kannst du einfach nicht anders, als dich über die kleinen, selbstmitleidigen Probleme zu amüsieren, denen wir im Alltag meistens ausgesetzt sind. Gleichzeitig wirst du aufmerksamer gegenüber dem Einfluss, den wir auf unsere Umwelt haben und deiner eigenen Verantwortung für dein Handeln. Freediving hat mich demütiger gemacht, aber genauso hat es mich auf den Weg geführt, mich zum Positiven zu verändern.
Auf deiner Homepage gibt es Bilder, die dich bei Yoga-Posen unter Wasser zeigen. Machst du Yoga unter Wasser?
Brittany: Du kannst keine vollständige Yoga-Sequenz unter Wasser machen. Diese Bilder waren ursprünglich nur zu Kunstzwecken gedacht, ein Freund von uns, Daan Veerhoeven, hatte diese Idee. Ich unterrichte zwar Yoga im Wasser, aber nicht komplett untergetaucht, sondern nur bis zum Knöchel oder zur Hüfte. Das stärkt die Verbindung zum Meer.
Achtsamkeit lernt man mit beiden Sportarten
Und gibt es bestimmte Erfahrungen, die man sowohl im Yoga als auch beim Freediving machen kann? Was sind die Gemeinsamkeiten von Yoga und Freediving?
Brittany: Ich habe durch beides gelernt, wie wichtig es ist, neugierig zu sein, anstatt alles zu bewerten. Das ist ein Stück Achtsamkeit. Beim Yoga kann es vorkommen, dass sich etwas mal unangenehm anfühlt oder Emotionen aufgewühlt werden. Und man lernt, dem neugierig zu begegnen, es festzuhalten und durchzustehen (natürlich nicht, wenn es wirklich starke Schmerzen sind) und es nicht als gut oder schlecht zu bewerten. Dadurch kann man positivere Erfahrungen machen und man hat mehr Raum, innerlich zu wachsen. Das ins Freediving zu übertragen, kann eine starke und notwendige Technik sein. Es bedeutet quasi, an den Rand deiner eigenen Möglichkeiten zu stoßen und dabei mit allen Sinnen bewusst wahrzunehmen: Zu Hören, zu Sehen, Neugierde zu zeigen gegenüber den Eindrücken und den Stimmen in deinem Kopf, ohne Energie darauf zu verschwenden, das zu bewerten.
William: Der mentale Status, in den man kommt, ist beim Yoga und beim Freediving sehr ähnlich. Manchmal komme ich mir fast so vor, als würde ich schummeln, denn beim Freediving kann ich innerhalb von Sekunden an diesen Punkt kommen, für den ich beim Meditieren 20 bis 30 Minuten brauche. Und das ist der Punkt, an dem der Geist einfach völlig zur Ruhe kommt und keine Gedanken im Kopf herum jagen. Wenn ich 50 oder 60 Meter tief tauche und mich dort dann eine Weile aufhalte, dann kann es sein, dass ich in drei Minuten nur zwei oder drei Gedanken habe und ansonsten einfach an nichts denke.
Brittany: Wenn du unter Wasser bist und nicht atmest, dann verlierst du jedes Zeit- und Raumgefühl. So kannst du wirklich all deine Sinne nach innen richten, im Yoga nennt man das pratyahara. Wenn man Yoga an Land ausübt, wird immer empfohlen, das zur selben Zeit, am selben Ort und mit denselben Gegebenheiten (den Mantras, der Blickrichtung usw.) zu tun, damit du schneller in die Meditation eintreten kannst. Das hast du beim Freediving automatisch: Das Meer, das Seil, das Sicherheitsequipment, die Entspannung, die Vorbereitungen usw. All das unterstützt dich dabei, deinen inneren Tauchgang zu vollziehen.
Was für Vorbereitungen gibt es denn? Zumal für einen Weltrekord?
William: Mein tägliches Training unterscheidet sich sehr von den Vorbereitungen, die ich am Tag des Wettkampfes treffe. Beim Training mache ich viele Wiederholungen mit nur kurzen Regenerations-Phasen. Dazu gehören Yoga, Pranayama und Pool Training – natürlich unter der Wasseroberfläche. Aber ich mache auch Übungen auf dem Trockenen und halte die Luft an, atme bedacht ein und aus. An einem Wettkampftag selbst mache ich so wenig wie möglich, damit ich frisch und entspannt bin. Ich mache vielleicht 20 Minuten leichte Asanas, 20 Minuten Übungen für die Lunge, zum Beispiel aus dem Kundalini Yoga, und ansonsten ist es eigentlich nur Entspannung und mentale Vorbereitung. Dazu gehört es etwa, den Tauchgang zu visualisieren, mich positiv zu bestärken oder mir mentale Anker zu suchen. Es kann mir auch helfen, einfach ein Buch zu lesen, um abzuschalten.
Brittany: Kurz vor einem Tauchgang hat er immer 15 Minuten wirkliche Tiefenentspannung. Als würde er schlafen.
Und dann kannst du deine ganze Energie sammeln und los geht’s?
William: Ja. Das Abtauchen braucht aber gar nicht so viel Energie. Sobald man auf 25 Metern Tiefe ist, kann man sich einfach fallen lassen. Das Auftauchen dagegen verbraucht etwa 70% der Energie des ganzen Tauchgangs. Doch obwohl ich beim Auftauchen ja schwimme, muss ich mich gleichzeitig auch entspannen – wieder eine Gemeinsamkeit mit dem Yoga. Es dürfen immer nur die Körperteile angespannt sein, die ich gerade benötige. Wenn ich einen Armzug mache, sind meine Beine entspannt und umgekehrt. So kann ich meine Energie am effizientesten einteilen und das ist auch nötig.
Hast du manchmal auch Angst, dass du es nicht mehr nach oben schaffen könntest?
William: Angst wird man nie vollständig ausklammern können, sie ist immer irgendwie da. Es kommt aber darauf an, ob du ihr Raum gibst, oder nicht, und dich einfach auf andere Dinge konzentrierst. Ich habe keine Angst davor, bei einem Tauchgang zu sterben, es gibt ja auch Sicherheits-Vorkehrungen. Ich kenne aber die Angst, zu versagen. Vielleicht an der Oberfläche ohnmächtig zu werden. Natürlich, wenn ich beispielsweise in einem See unter dem Eis wäre und ich würde keinen Ausgang finden, dann würde ich auch Panik bekommen. Aber solch eine Situation hat man beim Freediving ja nicht und da mache ich mir keine Sorgen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellten: Thimo Wittich und Manuela Hartung