Steile Klippen, schmale Pfade, atemberaubende Landschaftsbilder. Eine Gruppe von Mountainbikern sucht sich ihren Weg – oder, wie sie es nennen: ihren Trail – durch die französischen Alpen. Ihr Teamleiter, Bernd Schiermeister, berichtet bei evidero von der Tour, den Schwierigkeiten, und warum es sich trotz allem gelohnt hat.
Zuerst möchte ich dir einmal unsere Truppe vorstellen: Vier – sagen wir mal – leistungsorientierte Hobbysportler zwischen 35 und 50, die sich gemeinsam durch die Alpen kämpfen wollen. Dass die Gruppe so “klein” ist, liegt vor allem an der Infrastuktur auf dem Weg: Mit zu vielen Personen wird das Übernachten schwierig. Das Limit für meine Touren liegt bei acht Teilnehmer*innen.
Angeregt durch den Trail “Chemins du Soleil”, eine bekannte Mountainbike-Strecke in Frankreich, habe ich mir eine individuelle Route von Sisteron nach Sospel überlegt. Der Trail liegt im Bereich Alpes Maritim, ganz im Süd-Osten Frankreichs. Als Reisezeit hatte ich mir Ende August ausgesucht, das Wetter ist dann stabil, aber auch sehr warm. Das Gepäck von etwa neun Kilogramm transportieren wir übrigens auf dem Rücken und lassen es uns nicht etwa hinterher-transportieren.
Der erste Tag: Von Porte de la Provence nach Digne-les-Bains
Unsere Tour begann an der „Porte de la Provence“ in Sisteron. Das Dörfchen am Fluss Durance bietet eine sehr beeindruckende Landschaft: Die bizarren Fels-Massive und die Zitadelle aus dem 16. Jahrhundert auf 500 Metern Höhe haben uns zum Schwärmen gebracht. Ach ja, eigentlich wollten wir doch biken.
Zu Beginn der Reise lachte uns gleich die Sonne an. Nach einer kurzen Runde durch den Ort und einer kleinen Straßen-Etappe geht es über eine Brücke ins Gelände. Geröll, Steigungen und dann wieder Geröll. Soll das so weitergehen? Nein, wir kommen in einen Pinienwald. Der Untergrund der Single-Trails, so nennt man die schmalen Mountainbike-Pfade, besteht nun aus Waldboden, Felsen, Lava und Kalkstein. Herrlich zu fahren! Keine größere Steigung, schöne schmale Trails.
Nachher kommen ein paar Passagen, auf denen wir die Räder schieben müssen, aber darauf waren wir vorbereitet. Ich stelle fest: Die Zeit reicht nicht. Die Durchschnitts-Geschwindigkeit ist weitaus geringer als geplant. Später auf einem Straßenstück können wir den Rückstand zum Glück wieder wett machen.
Den ersten Etappenort Digne-les-Bains erreichen wir um 18 Uhr. Es ist ein Badeort und wird Hauptstadt des Lavendels genannt. Das Umland mit den Lavendelfeldern hat der Stadt den Namen gegeben. Über der malerischen Altstadt thront die Kathedrale St. Jerôme mit dem typischen provencealischem Glockenturm. Der Lavendel war bereits in griechischer und römischer Zeit in der Provence bekannt und wurde im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. Er wird heute für Parfümerie, medizinische Produkte und Körperpflege verwendet.
Die Sonne bleibt uns übrigens auf der ganzen Tour treu. Die Temperaturen liegen immer über 27 Grad, manchmal gar bis 35 Grad. Aber in den Bergen ist die Luft trotz der Hitze sehr angenehm.
Der zweite Tag: Auf geht es nach Saint-Andrés-les-Alpes
Wir biken am nächsten Tag gut gelaunt den Bergen entgegen. Nach einer kleinen Bachdurchfahrt kommen wir in das Waldgebiet “Dominale de Coussonen Foret”. Schmale Single-
Trails winden sich durch einen dicht bewachsenen Nadelwald. Es gibt einige “Schiebepassagen”. Der Trail bringt einen ein wenig aus der Puste, ist aber gut befahrbar.
Die Abfahrt hingegen ist schwierig – vor allem mit Reisegepäck auf dem Rücken – und zwingt uns einige Male zum Absteigen. Der Pfad besteht aus Geröll, ist sehr schmal und links geht es steil bergab. Aber wir genießen ein sehr schönes Panorama und sind nun bis auf 1205 Meter über Normalnull (NN) angestiegen, beziehungsweise gefahren.
Über einige Ortschaften geht es hinunter bis nach Saint-Andrés-les-Alpes, wo wir ein familiäres Quartier gebucht haben. Der Ort ist lebhafter als der Rest der Bergregion, das liegt wohl am nahe gelegenen Lac de Castilion, einem beeindruckend türkis leuchtenden Stausee. Den Abend genießen wir in der Dämmerung bei Live-Musik und einem Gläschen Wein.
Der dritte Tag: über Courchons nach Castellane
Für den nächsten Tag habe ich bewusst eine kleinere Etappe, circa 30 Kilometer lang, ausgewählt. Nach einem schönen Frühstück geht es vom Tal du Verdon (900 Meter über NN) bis hoch zu dem Ort Courchons (knapp 1.300 Meter über NN). Der Schotterweg ist prima, aber es geht bergauf. Doch wir sind schließlich auch hier, um Sport zu machen – und nicht, um die Füße hochzulegen.
Oben angekommen werden wir durch den Ausblick belohnt. Blicken wir zurück, sehen wir das Tal des Flusses Verdon und unsere Übernachtungs-Ortschaft St. Andres les Alpes. Blicken wir nach links, sehen wir den Stausee, der Touristen anzieht wie die Fliegen. Wir erreichen nun den Eingang zum Geogres du Verdon, der Verdonschlucht. Der Fluss Verdon zieht sich durch das Bergmassiv und hat dabei eine der schönsten und eindrucksvollsten Schluchten der Alpen geschaffen.
Wir kontrollieren noch einmal unsere Bikes und vor allem die Bremsen. Es geht bergab. Ein einzigartiger, aufregender Trail. Bei 700 Metern über NN bleibt unser Höhenmeter stehen. Wir sind in Castellane. Im Schatten der Kirche erfrischen wir uns mit dem Wasser des Brunnens. Da wir zeitig angekommen sind, nutzen wir die Gelegenheit und relaxen ein wenig am Fluss Verdon. Die kleine Gemeinde wimmelt nur so von Touristen. Hoch über Castellane thront die Kirche Notre Dame du Roc auf dem 184 Meter hohen Kalkfelsen. Wir finden eine liebevoll eingerichtete, fast schon luxuriöse Unterkunft vor und lassen zufrieden den dritten Tag ausklingen. Die Hälfte hätten wir geschafft!
Der vierte Tag: hoch hinauf über schmale Pfade und steile Abfahrten
Ausgeruht geht es am nächsten Tag weiter. Wir müssen hoch. Was auch sonst. Nach dem Prolog, einem moderaten Anstieg über die Straße, geht es ins Gelände. Der Pfad ist so eng und steil, dass uns zwei Stunden Schieben und Tragen nicht erspart bleibt. Später geht es über Waldwege und Asphalt bis hoch ins Skigebiet „Le stade de neige de Soleihas Vauplan.“ Die Lifte stehen, es ist ja schließlich Sommer. Schmetterlinge, wohin man blickt.
Oben auf dem Kamm gibt es keinen Baumwuchs mehr, stattdessen finden wir Kalkstein und magere Wiesen. Einzigartig die Abfahrt: Erst auf dem Kamm entlang, dann ein paar blockierte Pfade, später dann flüssige Trails. Wir sind fast drei Stunden mit der Abfahrt beschäftigt. Eigentlich wollen wir nicht mehr weiter. Nous sommes fatigues – wir sind müde! Aber der Bürgermeister von Saint Auban erklärt uns: „Bis zum Zielort geht es nur abwärts.“
Kurz vor dem Zielort kommen wir zum „Clues de Saint Auban“ und schauen in die Schlucht des L´Estéron. Die Clue de Saint Auban ist eine Schlucht, durch die die schmale Departementstraße 2211 zwischen Le Beausset (S) und Briançonnet (NO) hindurchführt. Die Straße ist kurvenreich und wird durch kurze Tunnel unterbrochen. Wegen ihres Ausblicks und der anspruchsvollen Strecke wird die Schlucht von Outdoor-Sportlern – und auch von uns – sehr geschätzt. Denn es wird schwierig: Die Trails sind sehr eng, vor allem die Abfahrt ist sehr schwer und spektakulär. Nach diesem Stück sind wir erleichtert, dass es recht relaxt, aber mit schönen Aussichten zum Zielort weiter geht.
Der fünfte Tag: Begleitet vom Blick auf den Lac de Castillon geht es nach Castellane
Neuer Tag, neuer Anstieg. Auf Single-Trails und gut befestigtem Schotterweg geht es wieder aufwärts und wir schrauben uns hoch bis auf circa 1.300 Meter über NN. Wir sind im Parc naturel regional du Verdon und bewegen uns ausschließlich auf ausgewiesen Strecken. Das Wegenetz ist phänomenal. Links von uns sehen wir immer wieder den türkis leuchtenden Lac de Castillon. Auf Single-Trails befahren wir den Bergkamm, bevor es wieder hinuntergeht nach Castellane. Wir sind früh da und erfrischen uns an oder in der Verdon. Im Frühjahr ist hier meist wenig los, aber nun wimmelt der kleine Ort von Outdoor-Freaks. Wir befinden uns also in guter Gesellschaft.
Der sechste Tag: Über Castagniers Richtung Cote d’Azur
Für den nächsten Tag habe ich eine Relaxtour geplant, trotzdem bleiben uns die Höhenmeter natürlich nicht erspart. Aber die Entfernung ist moderat, so dass wir schon am frühen Nachmittag am Pool in Puget Theniers liegen und entspannen können. Castagniers heißt der nächste Ort. Wir müssen noch mal hoch. Auf der Kammfahrt können wir uns an dem herrlichen Ausblick und den hübschen kleinen Orten erfreuen.
Und dann, zwar erwartet aber doch überraschend, sehen wir ein Schild. Nur noch 56 Kilometer bis Nizza! Aber wir haben nicht den direkten Weg gewählt. Im Tal geht es wieder auf den „Chemin du Soleil“. Der Weg ist ziemlich blockiert und zugewachsen. Wir müssen häufig schieben: Zusätzlich drückt das Gepäck, circa neun Kilogramm auf dem Rücken. Bei St. Martin du Var, kurz vor unserem nächsten Zielort, erfrischt uns noch einmal ein kleiner – der einzige – Schauer. Man fühlt die Cote d´ Azur. Die Temperaturen sind circa fünf Grad höher als in den Bergregionen.
Der siebte und letzte Tag: Wir haben unser Ziel erreicht
Am nächsten Tag sind nur noch Straßen angesagt und wir rollen entspannt nach Nizza. Zum Zielort sind es noch einmal 60 Kilometer durch Nizza, Monaco und Menton. Die Abschluss-Steigung nach Sospel saugt uns die letzten Körner aus den Beinen. Aber wir gehen mit Ehrgeiz den Berg an und kommen glücklich nach guten 450 Kilometer mit etwa 10.000 Höhenmetern in Sospel an. Dieser Urlaub war anstrengend, aber schön. Ich freue mich schon auf die nächste Tour – vielleicht mit dir?
Auch für die Zukunft habe ich einige Touren geplant, zum Beispiel im späten Frühjahr ins Burgund und im Sommer einmal in die Bretagne und einmal in die nördlichen Alpen. Das Besondere an meinen Touren ist, dass ich sie sehr individuell auf Leistung, Kenntnisse und Wünsche der Teilnehmer*innen planen kann und so zum Beispiel auch niemand Hemmungen haben muss, wenn er bei einer Tour in Frankreich vielleicht die Sprache nicht versteht. Ich habe viele regionale Kontakte, um jede Reise zu einem Erlebnis werden zu lassen und erstelle gerne auf Bestellung eine Reiseroute auch für dich.