Ihr Kinderlein kommet alle Jahre wieder in der stillen, heiligen Nacht zum Tannenbaum, so schön sind seine Blätter. Zur Krippe kommet herbei oh ihr Gläubigen, denn leise rieselt der Schnee, wenn süßer die Glocken nie klingen. Klingelt’s bei Ihnen? Weihnachten möchten wir gerne als eine friedliche, besinnliche Zeit erleben, aber genau aus diesem Anspruch heraus, entstehen erst recht Stress und Unfrieden. Der Mediator Dr. Jürgen von Oertzen erklärt, wie wir dieses Jahr richtig friedliche Weihnachten erleben können.
Weihnachtszeit: friedliche Zeit. Die ganze Familie kommt zusammen, man hat sich lange nicht gesehen und endlich richtig Zeit füreinander. Intensive Gespräche werden geführt und die Tage miteinander so gestaltet, dass es für alle wunderschön ist. Wer einen Wunsch hat, dem wird er von den Augen abgelesen, bevor er ausgesprochen ist. Die Geschenke überraschen alle – und jede(r) freut sich über das Präsent. Alle übertreffen sich gegenseitig darin, christlich, friedlich und freundlich miteinander umzugehen; man hält gemeinsam Rückschau auf ein schönes Jahr.
Die Weihnachts-Realität – An Weihnachten gibt es oft Stress und Streit
Wie?! Sie können sich das so in Ihrer Familie nicht vorstellen? Dann sind Sie nicht allein. Schließlich wird Weihnachten von Menschen gefeiert und nicht von Friedensengeln. Nur, muss es gleich in Stress ausarten? Fast scheint es, als ob kein Weg daran vorbei führt. Die Realität drängt uns aus dem Advents-Stress direkt in den Weihnachts-Stress. Die Großeltern erwarten Besuche, die schwierige Schwiegermutter ist auch nicht einfacher zu bedienen als sonst und das alles müssen wir noch mehrere Tage am Stück aushalten, denn Arbeit und Sportverein machen Pause.
Gespräche mit Familienmitgliedern, die man selten sieht und mit denen man sich nichts zu sagen hat, ziehen sich in die Länge; wo gesprochen wird, da brechen schnell alte Konflikte wieder auf. Jeder hat seine eigene Vorstellung von den „richtigen“ Weihnachtsritualen, um die dann prompt Streit entsteht. Und die Geschenke sind auch nicht mehr, was sie früher einmal waren – da wird die Freude dann eben künstlich vorgespielt. Das kann anstrengend werden.
Erwarten wir an Weihnachten zu viel von uns und anderen?
Zu diesen Stressfaktoren gesellt sich jetzt noch der Druck (durch uns selbst oder von außen), gerade jetzt zu Weihnachten die Familie zu feiern, friedlich zu sein, vielleicht auch fromm, jedenfalls mitmenschlich bis zur Selbstaufgabe: „Kinder, streitet Euch doch nicht, wir wollen jetzt ganz friedlich Weihnachten feiern!“ – Haben Sie schon mal erlebt, dass das funktioniert? Ich auch nicht. Im Gegenteil, es wird alles noch schlimmer.
Warum? Eben weil wir als Menschen unsere „egoistischen“ Wünsche an die Weihnachtszeit haben, vielleicht nach Ruhe und Einsamkeit, die schwer in Einklang zu bringen sind mit den Wünschen anderer Menschen, etwa nach Geselligkeit und Austausch. Und wenn man sich dann noch im Gedankenlesen versucht, also die Wünsche anderer zu erfüllen versucht, bevor sie formuliert sind – dann kann das noch anstrengender sein und auch zu Konflikten führen, denn öfter als wir denken, irren wir uns.
Konflikte – das ist so ungefähr das letzte, was wir uns zu Weihnachten wünschen. Nur leider fragen die Konflikte danach nicht. Und sie haben die Tendenz, immer stärker zu werden, je weniger sie beachtet werden. Wenn wir also unsere eigene Enttäuschung über den entfallenen Gottesdienstbesuch oder unseren Ärger über ein unpassendes Geschenk unterdrücken, oder wenn wir ungeprüft zu wissen glauben, was andere sich von der Weihnachtszeit mit uns wünschen, dann kann es kritisch werden.
So gelingt ein harmonisches Weihnachtsfest
- Wünsche klar äußern. Wer weiß, vielleicht werden sie ja erfüllt?
- Sagen, wenn uns etwas stört. Ohne, dass das gleich eine Katastrophe sein muss; so ist das Leben halt: Man kann es nicht allen recht machen. Danach haben wir das Herz auch wieder frei, um uns auf etwas Schönes zu konzentrieren. Vielleicht kann manches auch später noch genauer besprochen werden, wenn es jetzt kurz einmal angesprochen wird. Was aber unter dem Tisch bleibt, rumort weiter…
- Nachfragen, was die anderen wollen: „Du runzelst die Stirn – hättest Du gerne etwas anderes? Dann lass es mich bitte wissen, damit ich mir überlegen kann, ob ich darauf eingehen will.“
- Vereinbarungen treffen: Welche Rituale wollen wir auch dieses Jahr einhalten, auf welche können wir getrost verzichten? Gibt es Zeiten, an denen wir alle zusammen sein wollen, und andere, wo wir uns gegenseitig Allein-Sein zugestehen? Vielleicht sind uns auch ganz konkrete Dinge wichtig: Wann soll es Essen geben? Ist es wichtig, dass alle dabei sein? Welche Gäste werden eingeladen, welche werden freundlich, aber bestimmt auf später vertröstet?
Die Weihnachts-Konferenz hilft, dass Weihnachten schön wird
So etwas zu besprechen, ist wichtig und für wichtige Gespräche sollte es einen guten Rahmen geben. Das kann zum Beispiel eine Weihnachts-Konferenz am Vierten Advent sein: Zwanzig Minuten mit der ganzen Familie, in der jeder nacheinander (auch die Kinder! auch die Eltern!) kurz sagen darf, was sie oder er wichtig findet, und was sie oder er eher nicht will. Dabei wird nicht unterbrochen. Erst, wenn alle einmal geredet haben, beraten wir gemeinsam, was wir jetzt am besten vereinbaren können.
Sie werden staunen, was sich für Möglichkeiten auftun, eine gute Lösung für alle zu finden, bevor der Stress überhaupt angefangen hat! Vielleicht macht es so viel Spaß, dass Sie es am zweiten Weihnachtsfeiertag vorsichtshalber nochmal versuchen? Oder gar jede Woche im Jahr?
Ich würde mich freuen, von Ihren Erfahrungen zu hören!
Dr. Jürgen von Oertzens Vorschläge für Weihnachten:
- Jeder darf sagen, was sie/er sich von diesen Tagen wünscht.
- Jeder soll sagen, wenn sie/ihn etwas ärgert. Auch wenn man es nicht allen rechtmachen kann.
- Jeder darf nachfragen, was die anderen möchten.
- Und dann gucken wir mal, was es Schönes für uns alle gibt!