Wann treffen Ihre Mutter, Ihr Chef, Ihr erster Lebensgefährte und ein Dutzend Tigerkatzen aufeinander? Richtig, im Traum. Das wirkt auf den ersten Blick völlig verrückt. Aber tatsächlich macht es sogar sehr viel Sinn – wir verstehen ihn nur nicht sofort. Traum-Experte Dr. Karl Werner Ehrhardt hat sich mit dem Thema sein Leben lang beschäftigt und sagt: Der Traum ist die Security unserer Seele.
Viele Menschen fragen sich, ob man nun jede Nacht träumt oder nicht. Diese Frage ist berechtigt, denn manchmal erinnern wir uns an Träume, meistens sind diese besonders wirr und durcheinander und an anderen Tagen wachen wir auf und können uns an gar nichts erinnern. Das bedeutet aber nicht, dass wir nichts geträumt hätten.
Träumt man jede Nacht? Warum erinnert man sich an manche Träume nicht?
Ja, wir träumen jede Nacht. Der Grund, warum wir uns manchmal erinnern und manchmal nicht, ist, dass es verschiedene Arten von Träumen gibt. Die einen treten jede Nacht auf, die anderen nicht. Nachts werden alle Informationen, die am Tag auf uns eingeströmt sind, einsortiert. Man kann sich das vorstellen, als gäbe es verschiedene Ordner im Gehirn und beim Träumen wird alles auf diese Ordner verteilt.
Das ist ein Teil der Regeneration des Körpers und sehr wichtig zu Erholung. Bei diesem Vorgang träumen wir, erinnern uns jedoch nicht daran, da es nichts Außergewöhnliches ist. Spannend wird es, wenn Informationen, die einsortiert werden sollen, nicht in das reguläre Schema passen!
Deshalb ist Traumdeutung wichtig: Der Traum zeigt dir, worüber du nachdenken solltest
Wenn das Unterbewusstsein feststellt: Da passt etwas nicht zu meinen bisherigen Erfahrungen, Wünschen oder Werten, dann stockt der Sortiervorgang. Und wir träumen etwas, an das wir uns nach dem Aufwachen erinnern können – zumindest bruchstückhaft. Damit teilt uns das Unterbewusstsein mit: Hier musst du noch einmal drüber nachdenken.
Das kann ganz verschiedene Ursachen haben: Vielleicht ist am Tag etwas passiert, mit dem wir uns nicht ausreichend auseinandergesetzt haben. Vielleicht wurden wir auch an etwas erinnert, das schon lange hinter uns liegt. Es kann sogar sein, dass wir etwas Positives in unserem Leben noch nicht ausreichend gewürdigt haben und unser Unterbewusstsein uns mitteilt: Hey, das musst du noch feiern! So entstehen je nach Ursache gute oder schlechte Träume.
Träume sind mit einer individuellen Symbolik verschlüsselt
Das Unterbewusstsein tut uns dabei einen großen Gefallen: Ereignisse, die uns verstören oder erschrecken könnten, verschlüsselt es in der Regel. Ansonsten hätten wir viel häufiger Alpträume oder Horrorträume. Es wirft Ort, Zeit, Personen und Symbolik durcheinander, sodass man eventuell denkt, man hat totalen Quatsch geträumt. Aber gerade diese Träume sind besonders wichtig, denn sie zeigen an, dass da ein Bedarf besteht, näher nachzudenken. Wenn man das nicht tut, kann es passieren, dass exakt derselbe Traum wieder und wieder und wieder geträumt wird. Unter Umständen jahrelang!
Zum Teil kommt es also auch auf uns an, ob wir träumen oder nicht. Wenn man zum Beispiel bis direkt vor dem Schlafengehen fernsieht und sich nicht mehr mit dem Tag auseinandersetzt, dann muss das Unterbewusstsein das nachts für uns erledigen. Aus diesem Grund war das früher übliche Abendgebet, bei dem man den Tag reflektiert, das Schlechte überdenkt und das Gute verstärkt, eine gute Vorbereitung für den Schlaf. Außerdem kann das Unterbewusstsein uns durch einen Traum auch auf Dinge aufmerksam machen, die wir bewusst gar nicht bemerkt haben. Vielleicht einen schiefen Blick vom Kollegen oder Ähnliches. Es signalisiert durch den Traum dann: Da hat etwas nicht gestimmt.
Fliegen, Ertrinken, ausfallende Zähne – Es gibt keine 1:1 Traumdeutung
Die reguläre – ich nenne sie mal kommerzielle – Traumdeutung geht davon aus, dass es eine Traumsymbolik gibt, die unabhängig von der Person ihre Bedeutung preisgibt. Das ist Unsinn. Träume sind etwas zutiefst Individuelles und können weder von einem Außenstehenden, noch allgemein und ohne auf die Lebensumstände zu blicken, gedeutet werden. Ich selber arbeite mit meinen Klienten mit einem Algorithmus, der die Person dabei anleitet, die Bedeutung des Traumes zu verstehen.
Mit diesen Merkmalen kannst du deinen Traum deuten:
- Was waren die Hauptbestandteile meines Traumes?
- Benenne den Traum in einem einzigen Satz!
- Wären die im Traum anwesenden Personen Teile meiner selbst, was hätten sie mir zu sagen?
- Hätte der Traum im realen Leben stattgefunden, hätte er genauso geendet?
Einen Traum so zu betrachten, wirkt vielleicht zuerst befremdlich, doch die Methode existiert schon seit über 15 Jahren und hat sich mehrfach bewährt. Ich gebe mal ein Beispiel: Wenn ich von Angela Merkel träume, dann träume ich unter Umständen gar nicht von Angela Merkel, sondern von einem Teil von mir.
Was könnte das für ein Teil sein? Vielleicht ein Teil, der immer gewinnt oder die Oberhand behält. Und was hat dieser Teil von mir nun mit meinem aktuellen Leben zu tun? Das kann einem niemand anders beantworten als man selbst, auch wenn der Traum-Begleiter vielleicht viele kluge Ideen dazu hat.
Wichtig ist: Der Polizist ist nicht unbedingt ein Polizist und das Ertrinken ist nicht unbedingt wirklich Ertrinken. Einen bedeutsamen Traum zu deuten, kann durchaus eine gesamte Stunde in Anspruch nehmen, wenn man Übung darin hat geht es auch in zehn Minuten. Die höchste Stufe der Traumdeutung wäre, dass man bereits im Traum bemerkt, dass man träumt, den Traum deutet und anschließend verändern kann.
Bei der Traumdeutung kommt es nicht auf das Geschlecht, sondern die Persönlichkeit an
Wer sagt, dass Männer und Frauen unterschiedlich träumen, dem sage ich: Das ist nicht geschlechtsspezifisch, sondern personenabhängig. Unsere Lebensumstände bestimmen, wovon wir träumen und das ändert sich das ganze Leben lang.
Ein Teenager träumt anders als ein Rentner, ein Büroangestellter träumt anders als ein Kaufmann und ein Mann träumt anders als eine Frau. Das ist weder überraschend, noch besonders erwähnenswert. Ich habe noch keine Traumdeutung begleitet, in der es um Fußball bei Männern oder um Shopping bei Frauen ging, auch wenn das im Leben der Personen vielleicht eine starke Rolle spielt. Unsere Träume sind schließlich keine Klischees, sondern eine wichtige Schutzfunktion der Seele. Was unser Unterbewusstsein verschlüsselt und wie es das verschlüsselt, ist ganz unterschiedlich.
Manchmal haben wir auch Klarträume, bei denen man sofort weiß, was gemeint ist, weil es gar keine Verschlüsselung gibt. Wichtig ist, dass Träume immer eine reale Bedeutung haben. Emotionen, die wir im Traum empfinden, sind echt, sei es nun Freude, Trauer oder Wut.
Im Prinzip hatten die Surrealisten recht, die Anfang des 20. Jahrhunderts meinten, dass Träume realer sind als die Realität. Denn im Traum begegnen uns auch Aspekte unseres Lebens, die wir bewusst nicht wahrgenommen haben. Träumen ist eine Gesundheits-Vorsorge und sichert unsere Lebensqualität. Und kein Hollywood-Film kann mit der Spannung eines verschlüsselten Traumes konkurrieren!
Ich wünsche Ihnen viele intensive Träume!
Ihr Dr. Ehrhardt
Aufgezeichnet von: Manuela Hartung