Nicht nur der Rücken wird heutzutage stark beansprucht, auch die Schultern haben unter Computer-Arbeit und Maus-Klickerei zu leiden. Wer seinen Rücken gesund halten will, darf deshalb den Schulterbereich nicht vernachlässigen. Die Rücken-Expertin Lucie Blaha erklärt im zweiten Teil unserer Rücken-Trainings-Reihe, auf welche Alarmsignale wir achten müssen und wie wir mit unseren Schultern umgehen sollten.
Wenn Beschwerden im Bereich der Hals-, Brust- oder Lendenwirbelsäule vorhanden sind, bedeutet es, dass ich meinen Rücken bereits über die Maße beansprucht habe oder die Muskulatur zu schwach ausgeprägt ist.
Es können natürlich auch psychische Hintergründe eine Rolle spielen. Die Beschwerden melden uns meist, dass etwas nicht in Ordnung ist und der Körper signalisiert uns damit, dass es höchste Zeit ist, ihm zu helfen, sich selbst zu helfen. Denn wenn wir dem Körper die richtigen Impulse geben, hilft er sich selbst weiter. Und wenn wir ihm diese Impulse regelmäßig geben, wird er uns dafür mit Beschwerdefreiheit oder -linderung danken. Oft reichen schon kleine Veränderungen im Alltag und die Probleme verschwinden in kurzer Zeit.
Sind die Beschwerden bereits chronisch, wurden sie wahrscheinlich über langen Zeitraum missachtet oder durch Betäubungsmittel wie Spritzen oder Tabletten kurzzeitig behoben. In diesem Fall sollte vor allem die Ursache gefunden und angegangen werden, damit auch die Symptome behoben werden können. Denn wenn wir nur die Symptome beheben (durch Massagen oder Tabletten) und nicht die Ursachen, ist es so, als würden wir bei einem Brand im Haus die nervige Sirene ausschalten, die uns einen Brand meldet. In dem Moment kehrt Stille ein, das Haus brennt aber weiter.
Stress ist häufig Ursache für Schulterschmerzen
Schultern sind ebenso anfällig für Verspannungen und Schmerzen, denn wir nehmen gerade in Stresssituationen eine „Schutzhaltung“ ein, indem wir die Schultern hoch ziehen (= Kopf einziehen). Die gleiche Haltung kann auch bei Kältegefühl oder Zugluft entstehen.
Fehlerhafte Körperhaltung oder ungeeignete Sitzposition können ein weiterer Grund für eine Verspannung der Schulter und Nackenmuskulatur sein. Wichtig ist zum Beispiel die Haltung des Kopfes, der immerhin zwischen fünf und sieben Kilogramm wiegt.
Überlegen Sie mal: Aus der Physik wissen wir, dass wir eine Last immer am Körper tragen sollen. Je weiter wir die getragenen Gegenstände vom Körper entfernen, umso schwerer werden diese. Mit unserem Kopf ist es nicht anders. Jeder Zentimeter, den wir unseren Kopf nach vorne schieben (z. B. um näher am Bildschirm zu sein), erhöht sich das Gewicht des Kopfes um ein Vielfaches. Und dies müssen die Nacken- und Schultermuskulatur und die Halswirbelsäule bewältigen. Wenn wir in dieser Position auch noch starr verweilen oder gar unseren Kopf immer so tragen, verhärten diese Bereiche und es entstehen (auch langfristige) Beschwerden, die sich jedoch nicht unbedingt nur in der Nacken-Schulter-Partie zeigen müssen.
Unzufriedenheit belastet den Rücken
Menschen, die sich niedergeschlagen fühlen oder unzufrieden sind, tragen ihren Kopf auch oft nach vorne gebeugt und der Rücken ist rund. Diese „geduckte“ Körperhaltung führt langfristig auch zu Verspannung und Schmerz.
Und leider führt diese Körperhaltung auch zur Gewohnheit. Dann wieder gerade zu stehen, erscheint unnatürlich und erfordert längerfristige Konzentration auf die Körperhaltung, damit diese wieder lotgerecht eingenommen wird.
Eine falsche Haltung des Kopfes und der Schulter hat natürlich auch weitreichende Auswirkungen auf den restlichen Rückenbereich und weitere Körper-Partien. Die Brustmuskulatur und die Bänder in diesem Bereich verkürzen sich, der restliche Rücken muss die Last ausgleichen, die durch „nach vorne gebeugte Haltung“ für den Körper entsteht. Und so werden die Brust- und Lendenwirbelsäule zusätzlich belastet.
Auch werden die inneren Organe „gestresst“, denn sie haben weniger Platz. Sie stehen bereits bei Normalhaltung stark unter Druck. Durch die gebückte Haltung erhöht sich der Druck noch zusätzlich und z. B. das Zwerchfell drückt dadurch vermehrt auf das Herz, das dadurch unter höherer Belastung arbeiten muss (aus diesem Grund sind z. B. Sit-Ups nicht empfehlenswert). So fühlen wir uns oft noch mehr bedrückt und die ganze Situation artet in einen Teufelskreis aus.
Diese Schulterübungen helfen dabei, die Schmerzen loszuwerden
Bei sitzenden Berufen und Tätigkeiten oder solchen Aktivitäten, bei denen wir eine starre Haltung einnehmen, sollten wir weitestgehend mit Ausgleichsübungen unseren Körper entlasten. Wir geben damit auch positive Impulse, sodass ihm kein Schaden zugefügt wird.
- Schon regelmäßiges Dehnen und Kreisen der Schultern kann entlastend sein.
- Wenn Sie darauf achten, Ihren Kopf gerade zu halten und ihn bei jeder Gelegenheit entlasten, tragen Sie dazu bei, dass es zu keinen Verspannungen kommt. „Entdecken“ Sie zum Beispiel die Kopfstützen bei Ihrem Fahrzeug und falls vorhanden, bei Ihrem Bürostuhl. Stellen Sie den Fahrersitz oder Bürostuhl so ein, dass Sie gerade sitzen, nehmen Sie einen Kissen für den Lendenbereich, damit die Wirbelsäule ihre natürliche Krümmung einnehmen kann und schieben Sie Ihren Kopf so weit nach hinten, dass Sie die Kopfstütze erreichen und Ihren Kopf daran abstützen können. Ich nenne es immer: den Kopf in die Schublade schieben. Also nicht den Kopf hoch kippen, so dass die Nasenspitze hoch geht. Die Nasenspitze bleibt immer auf der gleichen Höhe. In etwa so, wie eine Schildkröte ihren Kopf in ihren Panzer einzieht.
- Für die Mobilisierung der Schultergelenke ist auch das Kreisen der Arme gut. Nach vorne und nach hinten und gerne auch beide Arme gleichzeitig. Die „Hubschrauber-Übung“ ist bei meinen Trainingsteilnehmern auch recht beliebt. Hier kreisen Sie gleichzeitig mit beiden Armen, allerdings geht ein Arm nach oben und einer nach unten. Wenn Sie sich vor der Brust treffen, wechseln Sie die Richtung. Diese Übung hilft Ihnen auch noch, sich anschließend besser zu konzentrieren, da sie die Tätigkeit beider Gehirnhälften erfordert und trainiert.
Wenn Sie alle Übungen regelmäßig durchführen, beugen Sie Verspannungen und Verkürzungen gezielt vor und fördern die Durchblutung der Muskulatur. Eine Rückenschule, die alltagstauglich durchgeführt wird, ist auch alle ein bis zwei Jahre zu empfehlen, da Sie dadurch sensibilisiert werden und Ihnen Ihre Körperhaltung bewusst wird.
Außerdem erleben Sie sofortige Aha-Effekte, die Ihnen für die Zukunft helfen, sich bewusster zu bewegen, zu bücken, zu sitzen und auch wesentlich bewusster mit Ihrem Körper umzugehen.