Der Schauspieler Claude-Oliver Rudolph ist bekannt für seine fiesen Rollen und ein deutliches Macho-Image. Bald ist er zum Beispiel in der ZDF Serie “Der Alte” zu sehen. Berühmt wurde er jedoch durch “Das Boot” oder den James Bond-Streifen “Die Welt ist nicht genug”. Mit uns spricht er über so gar nicht macho-artige Themen: Über das Glück, Stress auf der Arbeit oder Yoga.
Herr Rudolph, Sie sind ja nicht nur Schauspieler, sondern auch Produzent, Drehbuchautor und Regisseur. Haben Sie jetzt in diesem Berufsfeld ganz grob Ihre Berufung gefunden?
Da kann ich nur den 1982 verstorbenen Regisseur Rainer Werner Fassbinder zitieren. Der hat auf diese Frage gesagt: “Ja mei, was soll ich denn sonst machen?” Das passiert einem ja, das ist Schicksal. Man kann sich das nicht aussuchen, wie man sagt, ich werde Tierarzt oder ich werde Flugkapitän. Das erwischt einen, meistens in früher Jugend, und dann bleibt man das halt.
Gab es denn jemals einen Zeitpunkt zu dem Sie gesagt haben: Vielleicht sollte ich doch etwas ganz anderes machen?
Nein, das wollte ich immer schon. Ich habe mit 15 Jahren meinen ersten Film gedreht, mit zwei Freunden. Da hatten wir eine Kamera von dem Vater eines Freundes, das weiß ich noch genau, das war eine Braun Nizo Special. Die musste man aufziehen, das ging anderthalb Minuten, dann musste man sie wieder aufziehen, dann konnte man wieder anderthalb Minuten drehen. Das war so meine erste Erfahrung.
War das ein Schlüsselerlebnis für Sie?
Schlüsselerlebnis war für mich das Kino. Mein Kindermädchen hat mich, brutal wie sie war, mit vier Jahren in einen Tarzan-Film mitgenommen und ich habe mich so gegruselt. Vor lauter Angst habe ich mich unter den Sitzen versteckt. Dann dachte ich mir aber, schade um das Eintrittsgeld. Und dann hab ich mich gezwungen diesen gruseligen Film anzugucken und seitdem liebe ich eigentlich Kino.
Wie würden Sie Glück definieren?
Ich fühle mich als glücklicher Mensch. Glück heißt für mich, dass man vom Schicksal oder vom lieben Gott belohnt wird. Also ich habe gesunde Kinder, immer viel Glück bei Frauen und ich habe riesiges Talent, was will man mehr?
Wie wichtig ist denn der Beruf für Glück und Erfüllung?
Da bin ich old school. Ich bin da wirklich der Meinung von Karl Marx und Bertolt Brecht, dass eine nicht entfremdete Arbeit einen glücklich macht. Wobei es ja mittlerweile seit den 2000er Jahren gang und gäbe ist, dass man eigentlich nur noch von Wellness und Fitness redet und möglichst viel Freizeit und möglichst viel Entspannung – und die Arbeit als notwendiges Übel sieht, um sich die Freizeit finanzieren zu können. Da halte ich überhaupt nichts von. Ich bin da wirklich noch old school – Anhänger, ich glaube, dass eine gute Arbeit einen sehr befriedigen kann. Eine nicht entfremdete Arbeit ist das Schönste, das man haben kann. Wenn man eine Arbeit hat, die man gerne macht und mit der man etwas bewirken kann. Vielleicht nicht gesamtgesellschaftlich oder weltpolitisch, davon haben wir uns ja alle verabschiedet, aber ich kann zumindest im Kleinen was bewirken. Ich kann meine Ideen realisieren und ich kann ein paar Leute mitreißen und ich kann eben meine Vision von einem bestimmten Ausschnitt der Gesellschaft oder der Welt erklären, das ist das Schönste für mich.
Wie sieht ein typischer Urlaub für Sie aus?
Es gibt für mich keinen Urlaub, da werde ich depressiv. Ich kann nicht zwei Tage irgendwo sitzen und nichts tun und nur auf Mallorca rumeiern, das würde ich gar nicht aushalten. Das muss ich aber auch nicht, ich drehe an allen Orten der Welt und da bin ich froh, wenn ich dann wieder in meine kleine Provinz zurückkomme und einfach durchs Land gehe und durch die Felder spaziere, das ist für mich das Schönste überhaupt. Ich habe das früher schon gehasst, wenn Leute mit T-Shirts rumliefen, auf denen Sprüche stehen wie: “From the Maledives” und “I go shark fishing”. Warum die nicht ins Sauerland fahren oder nach Borkum oder nach Norderney, habe ich nie verstanden.
In Ihren Filmen kennen wir Sie ja oft als Bösewicht oder Schurken, speziell durch die Dieter Wedel-Verfilmungen “Der Schattenmann” oder “Der König von St. Pauli”. Sind Sie jemand, der an das Gute im Menschen glaubt?
Nein. Zumindest ist wissenschaftlich erwiesen, dass in uns allen das Böse schlummert. Das wird eingedämmt durch Ethik, Moral und Erziehung. Aber ob auch das Gute in uns ruht, das ist zu bezweifeln.
Kann man denn Gutes im Menschen fördern?
Ja, die Psychologie ist sich ja einig mittlerweile, dass die Hälfte genetisch festgelegt ist und die andere Hälfte eben durch die Sozialisation kommt. Das ist halbe-halbe.
Wie erholen Sie sich nach einem stressigen Arbeitstag, wenn ein Drehtag richtig ans Limit gegangen ist?
Ich finde, das ist kein Stress, sondern ich mache das unheimlich gerne, ich freue mich da richtig drauf. Ganz im Gegenteil, bei uns Schauspielern ist das so, dass wir erstmal runterkommen müssen. Man ist dann noch voll Adrenalin vom Spielen und will gar nicht abbauen, sondern weitermachen. Dann geht man noch feiern und was trinken und spielt ein bisschen Filmquiz miteinander. Das heißt, wir stellen Fragen aus unserem Berufsbereich: Film, Fernsehen, Theater, Literatur. Und das macht man dann eben bis man müde ist oder betrunken und dann geht man ins Bett.
Kann Arbeit Sie überhaupt stressen?
Nein, überhaupt nicht. Uns freie Künstler stresst ja vielmehr die Zeit zwischen zwei Arbeiten, das ist das Schlimmste überhaupt. Deswegen muss man ja auch ganz starke Schultern haben als freier Künstler. Man muss es aushalten können, dass über Wochen und Monate nichts passiert und niemand anruft, der einem neue Aufträge gibt. Unser Beruf gilt auch deswegen als der Beruf mit der höchsten Selbstmordrate.
Jetzt gibt es ja auch ganz viele Entspannungs-Methoden, die so seit den 2000er Jahren boomen: Meditieren, Yoga, sich massieren lassen oder auch Achtsamkeitsübungen. Ist das was für Sie?
Ich komme ja eher aus dem Kampfsport, vom Judo, Karate, Thai-Boxen und so weiter. Ich kenne diese Entspannungsmethoden ja alle von früher. Da waren viele arbeitslose Schauspieler, die ihr Faible für den Buddhismus und Zen entdeckt haben und die haben dann so DVDs rausgegeben, Entspannungs-CDs und all so was. Ich will jetzt keine Namen nennen, aber das waren natürlich auch nicht die führendsten in unserem Beruf und die haben sich damit eine Marktlücke erschlossen. Finde ich völlig ok, ist besser als wenn sie andere Dinge machen. Aber im Grunde genommen ist das wieder nur mal eine Marketing-Sache, mit der ich eigentlich nichts zu tun habe.
Was ist das Besondere am Kampfsport?
Bruce Lee hat einmal gesagt: Man kann mit seinem eigenen Körper eine Waffe formen. Man kann, wenn man’s wirklich beherrscht, und dabei ist völlig egal welche Kampfsportart, sich aus jeder Situation selbst rausboxen und auch andern Leuten helfen. Man kann sich selber so gefährlich machen, dass man keine Waffe braucht. Ich glaub es gibt einen Titel von Bruce Lee: Dieser Mann braucht keine Waffe, dieser Mann ist eine Waffe. Und das macht einen sehr stolz und selbstbewusst.
Welche anderen Sportarten machen Sie gerne?
Ich habe eigentlich alles gemacht im Leben. Von Tauchen über Wasserski bis zu Skifahren. Was nicht so mein Ding war, war Tennis. Ich hab mal mit Dieter Wedel Tennis gespielt und da sagte er: “Claude-Oliver, das heißt doch Tennisspielen und nicht Baseball”, weil ich so feste draufgeschlagen hab. Golfen ist für mich nichts, halte ich für einen Opa-Sport. Segeln finde ich ganz gut, Motorboot fahren. Dem Motorradfahren hab ich abgeschworen, ich war ja früher Rocker sozusagen, aber da haben sich zu viele Leute totgefahren, daher ist Motorradfahren gar nicht mehr so mein Ding.
Sind Sie also eher ein Outdoor Mensch, der sich draußen bewegt?
Ja, absolut. Ich liebe die Natur, ich bin immer draußen, schon als Kind war das so. Mein Vater hat mir das erste Motorboot mit vier Jahren geschenkt, da waren wir immer in Holland. Ich habe sämtliche Scheine gemacht, etwa das Steuermanns-Patent. Das kommt auch ein bisschen durch die Dreharbeiten zu “Das Boot”, da sind wir alle ein bisschen infiziert worden. Wenn wir irgendwo drehen, sagen wir mal auf Mallorca, dann ist das erste, was ich mache, mir ein Boot zu mieten und rauszufahren, das ist herrlich. Und dann natürlich mit meinen Hunden, ich habe mein ganzes Leben schon Hunde gehabt und da ist man ja gerne an der frischen Luft. Auch gerne stundenlang, die hören ja auch nicht mehr auf zu toben und dann springen sie ins Wasser und dann jagen sie Enten hinterher, das ist eigentlich total lustig.
Die Fragen stellten Marc Saha und Manuela Hartung