Der Baby- und Kleinkindkosthersteller HiPP zählt zu den Pionieren der Biobranche. Auszeichnungen und Lob für den Umgang mit Natur und den Bedürfnissen der Kleinsten gehören seit vielen Jahren zu dem Unternehmen. In jüngster Zeit gab es allerdings auch kritische Stimmen, die am Lack des Vorzeigeunternehmens kratzten.
Das Engagement für Bio-Qualität reicht im Unternehmen HiPP über 50 Jahre zurück und damit in eine Zeit, in der es in der Bevölkerung kaum ein Bewusstsein für nachhaltige Anbaumethoden gab. Heute wirbt der Sohn und aktuelle Geschäftsführer Claus Hipp für seine Produkte, indem er mit seinem „guten Namen“ für sie bürgt — was viele Menschen überzeugt.
Gerade junge Eltern sind kritisch und auf der Suche nach wirklich guter Ernährung für ihre Kinder, da trifft Claus Hipp den Nerv, wenn ihm ein Bio-Siegel nicht weit genug geht und er lieber ein eigenes, darüber hinausgehendes Zertifikat anbietet: „HiPP verwendet nur Bio-Rohstoffe, die nach der EG-Öko-Verordnung angebaut wurden.
Darüber hinaus werden im Wissen darum, dass das EU-Bio-Logo allein noch keine Schadstofffreiheit garantieren kann, alle Produkte noch einmal strengstens kontrolliert“, heißt es auf der HiPP-Website, Pressesprecherin Sandra Hohenlohe fügt hinzu: „Über 6000 Vertragsbauern beliefern HiPP. Die meisten Rohstoffe kommen aus Deutschland und Österreich.“
Fisch für Kinder? HiPP sagt ja!
Für manche vielleicht überraschend soll Fisch auch für Kinder gesund und wichtig sein. HiPP teilt auf seiner Website mit, man habe „den Rohstoff „Fisch“ für Produktion und Betriebsgastronomie weitestgehend auf umweltverträgliche Bio- oder MSC zertifizierte Ware umgestellt“. Da wird der kritische Leser natürlich stutzig und fragt sich, warum der MSC-Standard nicht überall eingehalten wird. Die Antwort ist in diesem Fall einfach: Der MSC zertifiziert nur Wildfisch, bei HiPP werden aber auch Fische aus Aquakultur verarbeitet. Für Aquakulturen gibt es bislang kein Siegel, der eigens gegründete Aquaculture Stewardship Council (ASC) hat die erste Markteinführung gerade hinter sich: Seit August ist in den Niederlanden zertifizierter Tilapia, seit September auch zertifizierter Pangasius erhältlich.
Bei allem Lob gibt es auch Kritik an HiPP
Die Bio- und Naturkostbewegung kennt verschiedene Strömungen, in den Entstehungs-Jahren wie heute. So gibt es überzeugte Öko-Eltern, die verarbeitete Lebensmittel generell ablehnen — und für die somit auch HiPP-Gläschen keine geeignete Nahrung für ihre Kinder darstellen.
Daneben gibt es auch Kritik von modernen Organisationen wie dem Verein foodwatch e.V. oder dem Magazin Ökotest. Foodwatch bemängelte den Zuckergehalt in Früchtetee-Granulaten, die Prädikate „kindgerecht“ und „gesund“ wären hier nicht mehr angemessen. Mit dem Goldenen Windbeutel 2012, dem Negativpreis des Vereins, erhielt HiPP dann ungewohnten Gegenwind, der in einen Schlagabtausch mündete. Sandra Hohenlohe, Pressesprecherin bei HiPP hält dagegen: „Die Interpretation von Foodwatch, dass unsere Kindertees nicht „kindgerecht“ seien, ist eigenwillig und zielte vornehmlich auf mediales Interesse ab. Mit einem Zuckergehalt von nur 3,8 Prozent, der explizit auf den Etiketten ausgewiesen wurde und wird, bewegt sich der Zuckergehalt unserer Tees auf dem Niveau einer Apfelsaft-Schorle in einem Mischungs-Verhältnis von 2 Teilen Wasser und 1 Teil Saft.“ Dennoch reagierte das Unternehmen prompt: „Im Rahmen der fortlaufenden Sortiments-Optimierung werden wir im November die bisherigen Kinder Granulat-Tees einstellen und durch Kindertees im Schwimmbeutel ersetzen, die aus 100% Bio-Früchten bestehen und ganz ohne Zuckerzusatz auskommen.“ fügt Hohenlohe hinzu.
Künstliche Pro- und Präbiotik statt Muttermilch?
Ökotest hingegen gefällt die Werbung von HiPP nicht, der Hersteller betone die Ähnlichkeit von Muttermilch und den HiPP-Ersatzprodukten zu stark. Zudem fehle der wissenschaftliche Nachweis, dass probiotische Milchsäure-Kulturen und präbiotische Ballaststoffe, wie sie der HiPP-Alternative zugesetzt werden, wirklich zu einer verbesserten Verdaulichkeit der Nahrung führten.
Über den zweiten Punkt mögen die Experten streiten, HiPP führt Studien an: „Dass dieses Konzept auch einen handfesten gesundheitlichen Vorteil hat, wurde in zwei klinischen Studien eindrucksvoll gezeigt,“ aber Ökotest bezweifelt diese: „Der Ernährungs-Experte Professor Berthold Koletzko von der Kinderklinik München sieht das kritisch. So seien die Zusätze gar nicht besonders charakteristisch für Muttermilch.
Auch habe die von Hipp vorgelegte Studie, die die Vorteile der Zusätze absichern soll, Mängel.“ Ob die Werbung tatsächlich Mütter davon abhält, ihre Neugeborenen zu stillen, scheint ebenfalls zweifelhaft: Die Informationen auf der HiPP-Website jedenfalls lassen keinen Zweifel daran, dass das Unternehmen Stillen für die bessere Alternative hält und seine Produkte nur als zweitbeste Lösung sieht.
HiPP – Der Gesamteindruck bleibt vorbildlich
Ein Blick in den gerade neu erschienenen Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens belegt einmal mehr: HiPP liegt das Wohl von Umwelt wie Kunden am Herzen, das Bemühen um eine nachhaltige Wirtschaftsweise ist deutlich erkennbar und wird konsequent fortgesetzt. Daran ändert auch die jüngste Kritik nichts, die sich eher auf kleine Teile des Sortiments bezieht — und bei der im Falle der Granulat-Tees wurde schnell reagiert und gegengesteuert.
Der Umgang des Unternehmens mit Kritikern könnte allerdings verbessert werden: Denn wenn die vielen Erfolge dazu führen, dass sich ein Produzent für unfehlbar hält, ist ein konstruktiver Dialog nicht mehr möglich. Im Übrigen gilt für alle Unternehmen wie auch für HiPP: Als Kunde sollte man nicht nur auf die Meinung des Verkäufers hören, sondern unterschiedliche Stellen für seine Entscheidung heranziehen.