Zurück aus dem Urlaub fühlen sich die meisten wie frisch geboren. Egal ob am Strand oder in den Bergen. Doch warum macht uns die Weite so glücklich? Es ist die Natur wie Wissenschaftler nun bestätigen.
Weder knackige Animateure noch lukullische Spezialitäten-Buffets oder ausufernde Pool-Anlagen machen Urlauber wirklich glücklich. Was die meisten Touristen euphorisiert, sind – Landschaften. Das brachte vor einiger Zeit eine Studie ans Licht. Aussichten auf Gebirgsmassive, wogende Wellen und Palmenstrände, Wüsten-Dünen im Abendlicht, tropische Wälder, nur sie lösen Hochgefühle aus. Und an sie erinnert man sich nach einer Reise gerne zurück. Der ganze Rest, das Drumherum, sorgt allenfalls für ein angenehmes Hintergrundrauschen.Was für die Tourismus-Industrie eine bittere Erkenntnis sein mag, lässt das Herz von Landschafts-Psychologen höher schlagen. Die nämlich sind den Euphorie-Potenzialen der Natur auf der Spur. Und nach ihren Erkenntnissen sind einige Gegenden eine Art „everybody‘s darling“. Zwar liegt Attraktivität stets im Auge des Betrachters, dieses Auge jedoch berauscht sich quer durch alle Kulturen an immer wieder denselben Formationen.
Wunderschöne Landschaften der Natur erwecken Glücksgefühle
Von Japan über Texas bis Bayern gelten vor allem weite savannenartige Landschaften mit lockerer Vegetation als schön, geschwungene Wege über sanfte Hügel, hier und da ein plätscherndes Bächlein oder ein Seeufer. Dieses Ideal ist ein Erbe der Evolution, vermuten Experten. Denn abwechslungsreiche Landschaften mit Verstecken, Nahrungs- und Trinkwasser-Quellen sicherten dem Menschen zu allen Zeiten das Überleben.
Mit der Sicht von erhöhten Standpunkten aus konnte man Feinde im Blick behalten und im Notfall besser fliehen. Und solche Gegenden sind auch im 21. Jahrhundert noch beliebt und entsprechend bedeutsam für den Tourismus. Doch nicht nur die liebliche Savanne lockt, Extremlandschaften etwa zünden wahre Feuerwerke von Adrenalin, Dopamin, Serotonin und Endorphinen im Gehirn. Segeltörns, Wüsten-Durchquerungen oder Gipfel-Besteigungen — sie alle versetzen den Körper in diesen angenehmen Rauschzustand.
Der nämlich belohnt die Strapazen postwendend mit der Ausschüttung von Hormonen und Neurotransmittern — ein altes Programm der Evolution, das den Menschen über den Umweg der Euphorie körperliche Anstrengungen ermöglichte. Beim Wildwasser-Raften oder Felsenklettern wird das Programm wieder aufgelegt und sichert den Veranstaltern gute Umsätze. Natur vermag freilich mehr als nur Genuss zu bereiten.
Die Landschafts-Psychologie ist hierzulande noch wenig verbreitet. Sie entstand in den USA, wo man wissen wollte, wie Wanderwege und Hotels in den Nationalparks gestaltet werden müssen, um von Touristen als schön empfunden zu werden und Besucher anzulocken.
Wandern Sie sich glücklich – Bewegung im Freien für Glückshormone
In Deutschland beschäftigen sich Landschafts-Soziologen wie Rainer Brämer von der Uni Marburg, der inzwischen als deutscher „Wanderpapst“ gilt, vor allem mit den positiven Auswirkungen heimischer Mittelgebirge. Nach vielen Untersuchungen ist er überzeugt: „Regelmäßiges Wandern in der Natur ist ein ideales Breitband-Therapeutikum für die Prävention und Therapie fast aller Zivilisations-Krankheiten. Dabei verstärken sich die physischen, psychischen wie mentalen Wirkungen der Bewegung und des Naturkontaktes wechselseitig.“
Und nicht nur das beschauliche Mittelgebirge, auch Meereslandschaften lösen starke Effekte aus. Eine Studie der Universität Witten/Herdecke etwa zeigte, dass Meeresrauschen und -bilder Schmerzen, Stress und Angst während einer Zahnarztbehandlung reduzieren. Tauchen und das losgelöste Schweben im Wasser mindert bei Behinderten Depressionen, wie Münchener Sportwissenschaftler beobachteten.
Und auf Kranke wie Gesunde wirken die typischen Meeresfarben und -geräusche beruhigend. Blau und Türkis senken Puls und Blutdruck, entspannen den Betrachter messbar. Wellengeräusche lassen sich wunderbar für Entspannungs-Trancen nutzen. So ist der Blick auf die See ein Stresskiller erster Güte — kein Wunder, dass es zwei Drittel aller Reisenden weltweit an die Küsten zieht.
Natur macht gesünder
Landschaften liefern nicht nur schöne Bilder, sondern zusätzlich noch Naturgeräusche, würzige Frischluft, das Streicheln von Wind und Wasser auf der Haut, sinnliche Erlebnisse also, die aus dem modernen Alltag weitgehend verschwunden sind. Thomas Abel und Andrea Abraham vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern sichteten gut 200 Studien und kommen zu dem Ergebnis: „Naturerlebnisse fördern die seelische, körperliche und soziale Gesundheit. Sie verleiten zu mehr körperlicher Aktivität, erhöhen die Konzentrations-Fähigkeit und positive Gefühle.“
Natur stärkt das Immunsystem, reguliert den Stoffwechsel, senkt den Blutzuckerspiegel und unterstützt die Heilung. Im Gegenzug reduziert sie Frustrationen, Ärger, Stress und sei gar im Stande, Kriminalitäts-Raten zu senken.
Wo sich in Landschaften so viel Wohlbefinden einstellt, liegt es nahe, das auch gezielt zu nutzen. So fordern Wissenschaftler immer öfter, diesen Aspekt auch in der Gesundheitsvorsorge stärker zu verankern. Denn trotz positiver Effekte auf Körper und Psyche finden praktisch alle Therapien in geschlossenen Räumen statt — und verspielen damit enorme Reserven, die Natur als Co-Therapeuten einzusetzen.
Zwar ermuntern viele Kliniken, Ärzte und Therapeuten ihre Patienten mittlerweile zur mehr Natur, doch das müsste nach Meinung von Rainer Brämer noch weit häufiger und systematischer geschehen: „Hier liegt ein großes Potenzial therapeutischer Möglichkeiten brach.“ Bis zum Segeltrip oder der Bergtour auf Rezept ist es noch ein weiter Weg.