Sich von materiellen Werten befreien, mehr Zeit für sich und die Familie haben oder im Job kürzer treten — alle Aspekte stehen für das sogenannte Downshifting. Doch wie lässt es sich auf das eigene Leben übertragen und für wen ist es geeignet?
Aufstehen, arbeiten, auf dem Weg nach Hause noch schnell bei der Pizzeria um die Ecke anhalten, nach dem Essen Zuhause weiter arbeiten, schlafen. So sieht der Alltag vieler berufstätiger Menschen aus. Zwischendurch noch schnell einkaufen und die wenige Freizeit möglichst effektiv nutzen und verplanen.
Downshifting: Von 60 Stunden auf 25 — weniger Geld, aber mehr Lebensqualität?
Auch Unternehmensberater Daniel Weber kennt diesen Lebensstil nur zu gut. Eine 60 Stunden Woche plus Home-Office und am Wochenende bereits die Termine für Montag vorbereiten. Abends noch eine Runde Joggen und die Freunde auf einen schnellen Coffee-to-Go treffen: Die perfekte Mischung aus Berufs-, Alltags- und Freizeitstress.
Nach drei Jahren im Unternehmen fühlt Daniel sich nur noch müde und ausgepowert und selbst im Urlaub ist er innerlich so gestresst, dass er nicht mehr in der Lage ist, abzuschalten. Und das bereits mit Anfang 30. Als er seinen Arzt schließlich konsultiert und dieser das Wort „Burnout“ in den Mund nimmt, beginnt Daniel sich die Frage zu stellen, wofür er das alles tut. Nur für die Zukunft? Für die Altersvorsorge? Doch was ist mit dem Hier und Jetzt?
Daniel beschließt, einen Gang runter zu schalten. Die Versuche, seine Überstunden im Büro zu reduzieren scheitern kläglich und die Frage nach einer Teilzeitstelle im Unternehmen zaubert seinen Chefs lediglich ein müdes Lächeln ins Gesicht. Eine Alternative muss her und nach einer kurzen Bewerbungsphase beginnt der junge Unternehmensberater einen Halbtags-Job als Controller. In seiner neu gewonnenen Freizeit liest er nun viele Bücher und gibt Schwimmunterricht, wie damals während des Studiums.
In der heutigen Gesellschaft nennt man Daniels Entschluss, kürzer zu treten, „Downshifting“.
Weniger arbeiten für mehr Freizeit – Innere Zufriedenheit statt Geld
Egal, ob man den Job kündigt und sich auf eine Teilzeitstelle bewirbt, Hobby Nummer fünf aus dem Terminkalender streicht oder gleich nach Thailand auswandert, um als Tauchlehrer zu arbeiten: Jeder Schritt, in einem bestimmten Lebensbereich kürzer zu treten, kann bereits als Downshifting bezeichnet werden. Es geht darum, eine bewusste Entscheidung zu treffen, die bisherigen Prioritäten im Alltag anders zu setzen. Den Fokus mehr auf die innere Zufriedenheit und auf das Genießen des Lebens zu legen, als auf Materialismus. Einen Sinn im Leben zu finden, abseits von Geld und Karriere.
Ein Burnout ist ein Grund von vielen, warum sich Menschen entschließen, etwas zu verändern. Auch das Scheitern einer Beziehung, Krankheiten, Probleme in der Familie oder andere Ereignisse, die eine neue Lebensphase einläuten, bewegen Menschen dazu, ihr Leben zu überdenken. Der Wunsch entsteht, sich von materiellem und emotionalem Ballast zu befreien. Man fokussiert sich auf die Dinge, die wirklich bedeutend sind und „mistet“ den Rest buchstäblich aus.
Die Frage „Was benötige ich eigentlich um glücklich zu sein?“ steht im Mittelpunkt. Der Wunsch nach teuren Autos oder anderem Luxus setzt ein hohes Gehalt voraus, welches in den meisten Fällen mit Stress und viel Arbeit einhergeht. Werden die materiellen Ansprüche reduziert, so bleibt im Umkehrschluss auch mehr Zeit für das selbst definierte Wesentliche.
Konsum, nein danke: Entscheidung für das „Einfache Leben“
Manch einer geht noch einen Schritt weiter und entscheidet sich für ein Leben weg von jeglichem Konsum. Bezeichnet wird diese Lebensform als das „Einfache Leben“. Diese Lebenseinstellung bezieht sich auf den Bereich Materialismus, aber auch der Konsum von Medien ist gemeint. Sich bewusst von TV-Geräten sowie Radios trennen oder Essen —wenn möglich —selbst anbauen, sind nur zwei Beispiele.
Das Zukunftsinstitut von Matthias Horx hat sogar eine Studie zum sogenannten „Simplify-Trend“ herausgegeben. In dieser wird untersucht, ob es den Trend der Simplifizierung des Lebens in der derzeitigen Gesellschaft wirklich gibt, was sich nach der Online-Befragung von SensoNet bestätigt.
Wer kann mit Downshifting einen Gang runterschalten?
Wie Daniel Weber geht es also vielen Menschen in unserer Gesellschaft, aber nicht allen gelingt der Ausstieg so kurz vor knapp — sie ändern ihr Leben erst, nachdem sie nicht mehr in der Lage sind, ihren Alltag zu bewältigen. Besonders im anglo-amerikanischen Raum ist die Möglichkeit des Downshiftings inzwischen weit verbreitet und anerkannt, was auch die Initiative „InterNational Downshifting Week“ , ins Leben gerufen von Autorin Tracey Smith, zeigt.
Hier soll in verschiedenen Bereichen jeweils für einen Tag getestet werden, was das Downshifting für einen Effekt auf das eigene Empfinden hat. Zum Beispiel, indem einfach einmal ein paar überflüssige Kleidungsstücke aus dem Schrank gespendet werden oder einen Abend lang auf das Fernsehprogramm verzichtet wird.
Um einen Anhaltspunkt zu erhalten, ob das Konzept des Downshiftings für die eigene Person geeignet ist, stellt Donwshifting-Expertin Wiebke Sponagel, Autorin des Buchs „Runterschalten!“, einen Kurztest „Ist Runterschalten etwas für Sie?“ auf ihrer Webseite zur Verfügung. Und wer nicht direkt das Leben komplett verändern möchte, für den genügt vielleicht schon ein kurzes Innehalten hier und dort, um ein stärkeres Bewusstsein für die persönlichen Werte, Bedürfnisse und Wünsche zu entwickeln.