Da hält der Kollege wieder mit einem tollen neuen Wagen direkt neben meiner alten Schrottkarre. Und die beste Freundin fliegt – natürlich mitsamt Ehemann und drei Kindern – schon wieder in die Karibik. Wie unfair! Dieses Zwicken in der Magen-Gegend, wenn man so gerne etwas hätte, das jemand anderem gehört, hat jeder schon einmal gehabt, oder? Aber wie entsteht Neid? Und was sagt er über uns? Die Psychologin Beate Weingardt erklärt, was es mit diesem unangenehmen Gefühl auf sich hat.
Was ist der Unterschied zwischen Neid und Eifersucht? Und wie entsteht Neid?
Das Gefühl des Neides entsteht immer dann, wenn man sich mit einem anderen Menschen vergleicht und der Auffassung ist, dass dieser Andere in irgendeiner Hinsicht “besser dran” ist als man selbst. Er hat etwas, das wir nicht haben.
Dagegen entspringt Eifersucht – beispielsweise in einer Liebesbeziehung – durchaus auch der Angst, jemanden oder etwas zu verlieren, der oder das einem wichtig und kostbar ist.
Beide Gefühle sind bei Kindern schon früh zu beobachten, beispielsweise dann, wenn sie ein Geschwisterkind bekommen und mit diesem plötzlich die Aufmerksamkeit der Eltern teilen müssen. Ganz zu schweigen, wenn Eltern manche Geschwister unverblümt bevorzugen.Spätestens, wenn dann auch noch das elterliche Testament die alten Ungerechtigkeiten weiterführt und ein Kind eindeutig besser – oder schlechter – wegkommt als die anderen, brechen die vielleicht jahrzehntelang versteckten Neidgefühle wieder offen hervor – und oft entzweien sich Geschwister dann für immer.
Kann man “Blass vor Neid” sein?
Neid gehört zu den gesellschaftlich nicht positiv bewerteten Gefühlen und wird deshalb von den Menschen in der Regel sorgfältig verborgen. Dazu kommt, dass der neiderfüllte Mensch sich nicht der Schmach aussetzen möchte, vom anderen bei seinem Neid ertappt zu werden. Da wäre ja offensichtlich, dass er einen Mangel oder eine Unterlegenheit empfindet.
Um jemanden dabei zu ertappen, dass er „blass vor Neid“ wird, muss man deshalb wirklich sehr genau hinschauen – und selbst dann kann es sein, dass äußerlich nichts zu erkennen ist, was auf Neid hinweist.
Positive Energie oder selbst-zerstörerische Zweifel – Kann Neid auch nützlich sein?
Neidische Menschen leben in der Vorstellung: “Wenn ich das hätte, was du hast; wenn ich so wäre, wie du bist; wenn ich das könnte, was du kannst… – dann, ja dann, ginge es mir gut.” Das kann einerseits positive Energien freisetzen – ich strenge mich an, ich setze mich in Bewegung, um das Gleiche oder Ähnliches zu erreichen wie der, den ich beneide. Dies gelingt allerdings nur, wenn ich den Neid sozusagen als Herausforderung an mich selbst betrachte und meine Aufmerksamkeit deshalb den eigenen Möglichkeiten und Zielen zuwende.
Doch in der Regel geschieht etwas Anderes: Die Aufmerksamkeit bleibt auf den vermeintlichen Vorzug, Vorteil oder Vorsprung dessen, den wir beneiden, fixiert! Und hier liegt häufig ein tragischer Irrtum vor. Welcher? Man sucht das Problem am falschen Ort, man verlagert es sozusagen nach außen. Um neiderfüllt zu sein, müssen schließlich immer zwei Bedingungen erfüllt sein:
1. Man muss sich mit anderen vergleichen
2. Man muss an irgendeinem Punkt in seinem Leben unzufrieden sein
Bedingung eins gehört zum Leben dazu – Bedingung zwei liegt in unserer Hand. Unzufriedenheit muss kein Schicksal sein. Ob wir nämlich zufrieden oder unzufrieden sind, ist nicht ausschließlich eine Frage der Lebensumstände, sondern es ist auch und vor allem eine Frage der Einstellung zu diesen Umständen – man kann auch sagen, eine Frage der Bewertung.
Nicht mehr neidisch sein und inneren Frieden finden: Durch Umdenken!
So gesehen ist Neid ein Schmerz der Seele – er weist uns darauf hin, dass etwas in unserem Leben nicht in Ordnung ist. Er fordert uns auf, uns damit zu beschäftigen. Wenn uns Neidgefühle überkommen, sollte dies ein Anlass sein, uns zu fragen:
„Warum stellt mich das, was ich bin oder habe, was ich kann oder erreicht habe, nicht zufrieden? Warum meine ich, das Glück käme aus den Umständen, sozusagen von außen – anstatt zu begreifen, dass ich darüber entscheide, ob ich unter den gegebenen Umständen glücklich bin? Und was kann ich gegebenenfalls tun, um die Umstände zu verändern?“
Der schlesische Dichter Angelus Silesius schrieb vor über 300 Jahren: “Halt an, wo willst du hin? Der Himmel ist in dir! Suchst du ihn anderswo, du suchest für und für!” Wer diese tiefe Wahrheit des Lebens einmal begriffen hat, der wird seinen Neid nicht verdrängen, sondern ihn als Alarmsignal seiner Seele ernst nehmen und ihm auf den Grund gehen.
Neid kann deshalb nur überwunden werden, wenn man seine Ursachen sucht und sich dem Schmerz stellt – auch dem Schmerz des Zurückgesetzt-Seins, dem Gefühl des Nicht-Genügens oder Zukurz-Kommens, das möglicherweise seit der Kindheit in uns steckt. Diese Gefühle müssen durchlitten und durchgearbeitet werden, aber sie müssen kein Schicksal sein!